Die Begrüßungssuppe

Verfasst am: 25. Juli 2018 von Barbara Keine Kommentare

Die Begrüßungssuppe
am 6. Juli 2018

Carla und Christoph würden um 17.45 Uhr auf dem Flughafen in Lissabon ankommen. Wir freuten uns sehr und wollten sie gerne mit dem Auto abholen.
Bis 15.00 Uhr müssten wir in unserem traten Heim alles vorbereitet haben, den Tisch gedeckt und ein leichtes Süppchen gekocht haben. Hm, leichtes Süppchen, das man beim Empfang schnell aufwärmt…Was kocht man da?
Da nimmt man ein kleines Hühnchen oder Bauernhähnchen und macht Coccowääh (Cocque au vin). Hagen, der große Einkäufer, startete seine Rundreise in die Supermärkte und fahndete stundenlang nach einem Suppenhuhn oder ähnlichem. Aber in unserer ländlichen Gegend gibt es nur frangos oder galinhas do campo. Er war sehr enttäuscht, wollte nicht mit leeren Händen zurück kommen, die Zeit drängte und so machte er einen letzten Versuch beim Metzger im Nachbarort. Der hörte nur „Canja“ – Hühnerbrühe und lief in den Garten, um eins seiner Prachthühner zu schlachten. Die große Plastiktüte mit 3 Kilo Fleisch von einem staatlichen Hahn präsentierte er voller Stolz dem Einkäufer. Auf dem Hühnerfleisch prangten zwei riesige Hahnenfüße mit Teufelskrallen. Die isst man hier gerne und kocht sie mit. Dieses Knorpelfleisch ist hier eine Leckerei.
Glücklich kam Hagen von seinem siegreichen Feldzug nach Hause. Angesichts des zerlegten Kapauns fiel ich in Schockstarre. Es war nur noch eine Stunde bis zu unserer Abfahrt!! Was sollte ich mit diesem Prügel bis dahin machen? Nie und nimmer würde das eine Hühnerbrühe und schon gar nicht ein Coccowääh werden. Meine Verzweiflung war so groß, dass ich hysterisch in Tränen ausbrach: „Das schaff ich nicht, das schaff ich nie und nimmer!“ Hagens Trost war: „Es war das kleinste Huhn, die andern waren noch viel größer.“
„Hilfe!! Nachbarin, euer Fläschchen…“

Nun sind aber meine Nachbarinnen gestandene Hausfrauen, die in ihrem Leben schon manches „Hühnchen gerupft“ haben. Sicher würden sie mir helfen in diesem Notfall. Wir packten die Wahnsinnstüte mit dem Galo und fuhren um die Ecken zu Letizia. Der fiel ich weinend um den Hals und bat: „Kannst du uns daraus eine Suppe kochen? Wir kriegen Besuch und haben nun gar keine Zeit mehr und haben sonst abends nichts zu essen…“ Schluchz. Heul !
Letizia, ganz Herr der Situation, rief ihren Mann, erklärte ihm die Notlage und dass sie jetzt eine Suppe daraus herstellen würde. „Danke! Der Himmel segne dich!“ Die Krallen der Hahnenfüße grinsten mich ein letztes Mal an. Jetzt war ich ihnen entkommen.

Kurz und sachlich wurde nur noch beredet, welche Töpfe welchen Ausmaßes wir vorbeibringen sollten, und dann kam die hoffnungsvolle und beruhigende Antwort: „Abends um neun, wenn ihr vom Flughafen Lissabon zurückkommt, könnt ihr die Suppe abholen. Nein, es kostet nichts, nein, ihr braucht keine Zutaten zu bringen. Ich warte auf euch um neun!“
Diese schlichten klaren Worte – mit einem spitzen Küchenmesser in der Hand dramatisch untermalt – trösteten mich und ließen mich gefasst in die Zukunft blicken. Meine geknickte Seele erhob sich aus dem Staub und ich beschloss,
diese Geschichte zu schreiben mit einem Lobgesang auf die liebe Letizia und alle portugiesischen Canjaköchinnen.

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