Es brennt
15.Oktober 2017
Es war ein schöner goldener Oktobersonntag gewesen, es waren 30 Grad Wärme – viel zu warm. Gegen Abend in der Dämmerung machte sich Brandgeruch bemerkbar und Glühwürmchen schienen zu fliegen, nein, o, das waren Funken. Als wir vors Hoftor traten, stand der Pinien- und der Eukalyptuswald am Ende unserer Straße hell in Flammen. Alle Bewohner waren auf die Straße gelaufen, die Frauen schrien hell, die Männer heiser und laut, die Männer gaben Befehle, die jungen Leute fuhren ihre Autos in den Schutz der Häuser an der Straße. Julia besprengte mit dem Gartenschlauch ihre große Pinie, damit sie nicht Feuer fängt. Hagen besprengte das Weinlaub und die Dächer im Hof, denn die Funken sprühten und flogen über uns hinweg. Zum Glück hatte er nachmittags viel Weinlaub, trocken wie Paper, weggebracht, sonst hätte der Hof in einer Sekunde in Flammen gestanden. Es ging alles rasend schnell. Unser Hoftor wurde aufgerissen, man sah nur Qualm und Rauchwolken. Drei junge Männer stürzten aufgeregt über den Hof, rannten durchs Zimmer auf die Rampe und in den Garten, wo Hagen mit dem großen Gartenschlauch und dem Brunnenwasser arbeitete. Das Feuer war in Windeseile vom Wald über das Maisfeld gerast. Die jungen Männer stoben auch wieder zurück, zogen ihre nassen T-Shirts im Laufen aus, kamen wieder zurück, da brannte schon das Gras in unserem Garten, die Funken flogen auf das Nachbarfeld und setzten es in Brand. Einer der Löschzüge brachte eine Ladung Löschwasser, er war über den Nachbarhof und durch den Garten gefahren. Unser Gartenschlauch hätte es nicht mehr geschafft (er ist total zerschmolzen). Das ganze Dorf war eingekesselt. Wohin man sah, brannte es.
Das Telefon funktionierte noch, so konnten wir unseren Kindern Bescheid geben: Betet, betet, betet. Jakobs ernster und ganz richtiger Ratschlag, mit dem Auto zu fliehen, war für allerdings völlig absurd. Wohin hätte man aus diesem Feuerkessel fliehen können, wie hätten wir durchkommen können? Alle Wälder an den Straßen brannten. Es sind viele Flüchtende in ihren Autos verbrannt, insgesamt sind über hundert Menschen in den Flammen umgekommen und die Feuerwehr war unermüdlich tätig. Wir sind wunderbarer Weise bewahrt geblieben, auch hier im Dorf gab es keine Brandopfer, aber alle Nachbarn haben ihre Wälder verloren, Pinien- und Eukalyptuswälder, und vielen materiellen Schaden erlitten. Nach Mitternacht schien das Feuer unter Kontrolle zu sein, es gab noch Licht, es gab noch Wasser. Erschöpft und voller Angst legten wir uns zum Schlafen hin, aus dem wir vielleicht nicht mehr erwachen würden.
Am nächsten Morgen : graugrüner Himmel, Brandgeruch, Qualm, Gestank, dann wurde gefegt und gewischt. Der Ascheregen war furchtbar, er war durch alle Türritzen eingedrungen. Dann brach das Telefon- und Internet zusammen. Der Brandgeruch liegt immer noch schwer auf dem Dorf, auf ganz Portugal und auf unserer Seele. Wir haben drei Tage Staatstrauer. Die Innenministerin ist zurückgetreten. Aber wir haben auch erfahren, dass Gottes Zusage stimmt: So du durchs Feuer gehst, will ich mit dir sein.