Die gespaltene Frau

Verfasst am: 27. Januar 2014 von Barbara Keine Kommentare

Die gespaltene Frau

Das fröhlich-bunte Bild von Maik Yomba Kagl aus Papua-Neuguinea zeigt eine merkwürdige Figur: Eine Frau, deren eine Hälfte sich in einer Disco-Welt befindet und deren andere Hälfte im traditionellen Brauchtum des Volkes lebt.
Die moderne Disco-Seite zeigt die Frau mit T-Shirt, blauen Hosen und hochhackigen Schuhen, ihre Accessoires sind ein Mikrofon und ein Partytäschchen, ein technischer Verstärker ergänzt die Szene.
Die traditionelle Seite zeigt die junge barfuß tanzende Frau wenig bekleidet, auf ihrer schönen braunen Haut trägt sie einen Lendenschurz mit Federbüschel, bunte Bänder und eine Kette mit Tierzähnen. Auffallend ist der großartige Kopfputz mit bunten Federn und farbigen Diademen, wie sie bei den Papageien von Papua–Neuguinea vorkommen, die um den Kopf der Frau flattern. Bunt, farbig, heiter, lebendig und natürlich ist diese Welt.
Der Maler nennt sein Bild „Die gespaltene Frau“, eine Frau zwischen Fortschritt und Tradition, zwischen Moderne und Volksbrauchtum.

Dieses Bild einer „gespaltenen Frau“, die sich in der heutigen Welt zurechtfinden und anpassen muss, begegnet mir in meinem portugiesischen Dorf häufig so:

Meine Nachbarin Maria steht in ihrem Garten zwischen Fuchsien und Rosen und Orchideen an ihrem Waschzuber aus Zement und rubbelt mit Kernseife ihre Wäsche sauber, die sie dann im Brunnenwasser spült. Sie singt dabei ihre Volksweisen und wiegt sich wie beim Tanz in den Hüften. Sie hat ein Kopftuch umgebunden, dessen Zipfel wie Hasenohren abstehen, dazu noch eine verblichene Sportmütze aufgesetzt. Marias Tochter findet diese Kopfbedeckung scheußlich und schimpfte sehr. “Aber alle Bauersfrauen im Dorf schützen sich so vor der Sonne”, sagte Maria leise. “Du trägst das nicht mehr!”, ordnete die Tochter an. Sie verbot auch die Sackschürze, die zerlöcherten geliebten Wollsocken und die Holzpantöffelchen, die, wie ich sehe, Maria heute am Waschtrog wie gewohnt angezogen hat. Bei meinem Besuch fühlt sie sich ertappt, denn das Waschen draußen mit kaltem Wasser und Kernseife hat die Tochter auch verboten, und sie erklärt mir: „Weißt du, ich habe ja nun die Waschmaschine meiner Tochter, aber die wäscht gar nicht richtig. Die Wäsche wird überhaupt nicht sauber. Und sie verbraucht so viel Strom und so unnötig viel Wasser. Die taugt überhaupt nichts.“
Ähnliches erzählt sie mir von der Kaffeemaschine und von dem Elektroherd, denn diese technischen Geräte entbehren wirklich jeder Sinnlichkeit. Da knistert kein Feuer mehr, da summt kein Wasserkessel mehr, da duftet das Pinienholz nicht mehr, da kann man keine Töpfe hin und herschieben und bewegt sich kaum noch.

Und dann sitzen wir bei einer „von Hand aufgebrühten“ Tasse Kaffee, rühren den Zucker um, und Maria erzählt von früher und kann doch die Uhr nicht zurückdrehen und den Fortschritt nicht aufhalten. Will sie denn das? Soll alles so bleiben wie früher? Sie seufzt und sagt: „Naja, ich arbeite nun mal gerne so wie früher. Ich mag die Gartenerde und das Wasser und das Holz und die Feuerstelle. Aber wenn ich eines Tages mal nicht mehr kann… Es ist gut, dass meine Tochter alle diese Geräte hat, die das Leben leichter machen Sie braucht das ja, weil sie doch tagsüber ihren Beruf ausübt. Und ich gewöhne mich vielleicht auch mal daran. Manches ist ja ganz gut.”

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