Von Bäckern, Burgen und Brotfesten

Verfasst am: 21. Februar 2013 von Barbara 2 Kommentare

Von Bäckern, Burgen und Brotfesten

Es kommt vor, dass man morgens in einer portugiesischen “Bäckerei und Konditorei” frische Brötchen holen will und erwartungsvoll an der Theke in dem Duft des Brotes und des Kaffees steht: Da öffnet sich die Türe und der junge Bäcker tritt aus der Backstube – und die Sonne geht auf!

Von solchen Momenten des Glücks ausgehend, besuchten wir die Stadt Santa Maria da Feira mit dem mittelalterlichen Stadtkern und der hoch gelegenen Burg. Seit über 500 Jahren wird in diesem Ort am 20. Januar das berühmte Brotfest “Festa das Fogaceiras” gefeiert. Dabei finden mancherlei Kulturveranstaltungen und Messen zur Segnung des Brotes statt und Prozessionen, bei denen die süße Brotspezialität des Ortes, die Fogaceiras da Feira von Mädchen auf dem Kopf durch den Ort getragen werden. Bei “unserem” morgensonnengleichen Bäcker im Nachbarort sind fogaças kräftig gebackene kleine Teigklumpen (ungeformte kleine Brote) aus dem Steinofen. Was mögen die fogaças von Feira wohl für Besonderheiten sein, dass man ein Fest mit ihnen veranstaltet?

Mit einem Architekten durch das baufreudige Portugal zu ziehen und ihm beim Zeichnen zuzuschauen, ist ein wahres Vergnügen, zumal die Stadt wirklich großartig erhalten und restauriert ist. Die Gassen und Plätze, die alten Häuser im mittelalterlichen Stadtkern und die prächtige Barockkirche, die im 16. Jahrhundert errichtete Igreja da Misericórdia de Santa Maria da Feira mit ihren Treppen und dem Brunnen, sind nicht nur für einen Architekten ein erfreulicher Anblick. Und den Höhepunkt stellt die Burg mit den vier Türmen dar, das historische, seit seinem Umbau im 16. Jahrhundert gut erhaltene Kastell (Castelo da Feira). Rodolfo lobte die Verwendung der Feldsteine, der behauenen Blöcke und des Zements: “Das stimmt hier einfach alles!” und zeichnete mit Freude den trutzigen Bau und die Anlagen, Zisternen und Kasematten. Über den Rasen und die Treppen spazierte währenddessen ein Brautpaar, das sich das Kastell als Hintergrund für seine Hochzeitsfotos ausgesucht hatte. Und wie passend: Die Braut sah aus wie ein Ritterfräulein, denn sie trug ein weinrotes besticktes Brautkleid mit einem weinroten Samtcape, das ihr der so echt und typisch portugiesische Bräutigam ritterlich über die zarten bloßen Schultern legte.

Das traditionelle Brotfest war leider schon vorüber, aber gerne wollten wir mehr darüber erfahren und betraten die große traditionelle Padeiria, die Hunderte von großen und kleinen “Fogaças” im Angebot hatte. Dieses Gebäck sieht aus wie ein Gugelhupf mit vier Zacken, ähnlich dem Kastell.

Leider war der junge Bäcker aber gar nicht gut gelaunt wie unsere Morgensonne, sondern mürrisch, maulfaul und der ewigen blöden Touristenfragen überdrüssig.
Zum Glück kam ein weiterer Herr in den Laden, der uns erklärte, dass es sich hier um süßes Hefegebäck handele, so etwas wie das Osterbrot in unserer Region. Er selbst kaufte eine Schachtel von runden Keksen, die auch eine Spezialität der Stadt und dieser Bäckerei sei.
“Was ist das für ein Gebäck?” Der junge Bäcker zuckte genervt mit den Schultern.
Der Kunde griff wieder ein: “Das sind caladinhos”, und was das nun sei, stehe auf dem Zettel in der Schachtel. “Caladinhos heißt doch soviel wie Halt den Mund (cala-te=schweig!)”, mutmaßten wir und führten die Schweigsamkeit des Bäckerburschen darauf zurück, dass er sein Leben lang Mundhalterles oder Stillschweigerles backen muss. Das färbt doch ab. Die Kekse sahen aus wie belanglose fade Hundekuchen, trotzdem wollten wir sie auf dem Heimfahrt probieren.

Überraschung!

Sie schmeckten saftig und süß wie Marzipan.
“Und wieso Caladinhos? Lies mal den Zettel vor!”

Auf dem Zettel stand eine Erklärung vom Bäcker Augusto Padeiro aus Santa Maria de Feira:

Er meint, dass der Name 1934 enstand, als der Bäckermeister aus Angst vor der Kontrolle der Geheimpolizei PIDE den Arbeitern in der Backstube (die vermutlich bei der “Schwarzarbeit” waren) zugerufen habe:
“Shiu , calados!” (Psst, seid ruhig)
Die Beamten hören ihn und fragen misstrauisch, weshalb er seine Arbeiter in der Bäckerei zum Stillschweigen aufgefordert habe, und der Bäcker soll geantwortet haben:
“Porque estamos a fazer calados. Estes biscoitos são os caladinhos!”
“Weil wir soeben die Calados backen. Diese Plätzchen sind die Caladinhos”

Das mag eine Legende sein. Eine andere Geschichte leuchtet mir mehr ein:
Die Herkunft dieser Dauerplätzchen hatte vermutlich mit der Inquisition zu tun und steht in Verbindung mit der jüdischen Tradition, zum Paassahfest nur Brot und Gebäck ohne Hefe zu backen. Wer ohne Hefe backte, obwohl er eigentlich ein neu-getaufter Katholik (ein Krypto-Jude) war, war aus naheliegenden Gründen sehr gut beraten, wenn er das Backen dieser Plätzchen in das allergrößte Stillschweigen hüllte. Das Judaizar – das Befolgen jüdischen Brauchtums – war bei Todesstrafe verboten. Mit dem Verdacht, ein Judaizante zu sein, riskierten auch “richtige” Katholiken ihr Leben, wenn sie wegen der “saisonalen starken Nachfrage” dieses koschere Gebäck herstellten und verkauften. Also hieß es Mund halten und schweigen.

Nach allen diesen Gesprächen fasste unser Besuch zusammen: “Ich verstehe soviel: Eines Tages kamen Staatsbeamte in die Stadt Santa Maria da Feira und fragten, wieso dieses Gebäck Caladinhos heiße.
Da sagten die Bewohner: Weil das der Name für das Gebäck ist, das wir hier backen.”

Hihi. Solche plausiblen Antworten haben wir in unserer ländlichen Region hier schon öfter bekommen. Ich finde diese Antwort wunderbar und muss darüber immer wieder lachen. Inzwischen habe ich mich natürlich kundig gemacht und Folgendes herausgefunden:

Caladinhos werden aus Mehl, Eiern, Zucker, Butter, (Frag bitte nicht, wieviel jeweils? Die Antwort ist: depende!!), aber ohne Hefe gebacken und schmecken wunderbar.

Außerdem gefällt es mir, dass auch dieses Geheimnis wie so vieles in Portugal nicht “ausgeleuchtet” ist.

2 Antworten

  1. Christine schreibt:

    Barbara, jetzt hast Du mich neugierig gemacht. Naschsüchtig wie ich bin, muss ich doch demnächst mal nach St.Maria da Feira und mir diese Caladinhos einverleiben.

  2. Harry schreibt:

    Gestern sind wir den Spuren der caladinhos gefolgt und können bestätigen, dass allein diese einen Besuch der Stadt rechtfertigen, allerdings ist das castelo wirklich ein mittelalterliches Erlebnis. Aber wie so oft sind die verrückten Ereignisse drumherum eigentlich erwähnenswert. So fuhren wir von Espinho mit dem – laut Público – “langsamsten Zug Portugals, ja vermutlich der Welt” bis Sta. Maria da Feira und nahmen zurück nach Porto den doch etwas schnelleren Bus, in den uns aber direkt an der Metro-Haltestelle Santo Ovídio in Gaia ein “aselha” hineinfuhr, indem er mit seinem kleinen Auto versuchte, den Bus aus der Spur zu drücken, um also 30 Meter schneller an der Ampel zu sein. Er blieb im Bus stecken und wir waren froh, dass nur einige Blechdellen daraus resultierten, niemand zu Schaden gekommen war, und wir nur 10 Meter bis zur Metro laufen mussten. Assim são…

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