Das Super-Suppenhuhn

Verfasst am: 9. Juli 2012 von Barbara Keine Kommentare

Das Super-canja-Suppenhuhn

Mit nichts Besserem kann man meine Nachbarin, die tüchtige erdverbundene Bauersfrau, mehr von ihren Krankheiten, Sorgen und Grenzstreitigkeiten ablenken als mit der Planung eines Festes à la portuguesa. Schließlich ist sie darin Meisterin (naja, gewesen – bei der Hochzeit ihrer Tochter, wenn man sich bitte erinnern möge …”Eine portugiesische Hochzeit und so weiter”). Also sagte ich mit verschwörerischer Stimme: “Am Anfang gibt es natürlich eine Hühnerbrühe”, und ich meinte damit die wohlschmeckende, gesundheitsbringende Canja, die jedem bisher wieder auf die Beine geholfen hat.
Das Fest stand ins Haus. Und wenn Onkel Tó und Tante Ela und deren zwei Söhne mitkommen, wären wir 19 Leute, das ist doch schon fast Hochzeitsmenü-verdächtig.

“Estabem” (sprich dawei), sagte sie. Bis hierher war sie einverstanden. “Und wie machst du die Suppe?”, fragte sie lauernd.
“Ich kaufe ein Suppenhuhn und koche es mit wenig Salz und alho Francés…”, stammelte ich und wusste sofort, das war total daneben. Sie jaulte schmerzlich berührt auf: “Nein, unmöglich, kein Lauch! Da gehört kein Lauch ‘ran, niemals nimmt man Lauch dazu.”
(Hab ich doch gewusst.)
Sie war zufrieden mit meiner Einsicht und Zerknirschung und fuhr fort: “Und gekauftes Huhn…? Meinst du wirklich?”
Hm.
“Nein, das Huhn sollte man nicht kaufen, am besten ist ein frisches selbst geschlachtetes freilaufendes Hühnchen vom Bauernhof — so wie meine.”
“Aber du sollst deine wunderbaren Hühner nicht für mich opfern!”
“Es muss ein frisches sein”, sagte sie nachdrücklich. (Als ob andere Hühner nicht auch mehr oder weniger frisch sind, bevor sie dem Henkersbeil erliegen.)
“Na gut, ich werde es beim Metzger im Nachbarort kaufen.”
“Dawei”, sie nickte gnädig, aber immer noch skeptisch, denn da war ja noch der Lauch. Und Lauch geht ja schon mal gaaaar nicht.
“Also, ich nehme nur ein wenig Salz und zuletzt etwas Petersilie, und meine Canja wird immer sehr gelobt. Das ist weit und breit die beste.”
“Ja”, stimmte ich begeistert zu, “ich weiß, und vielleicht wäre es am besten, ich bringe dir eine schönes frisches Huhn vom talho und du bereitest die Hühnerbrühe zu, wie du und nur du das kannst, dann wird sie am besten gelingen.”
Gesagt, getan.
Alles andere, überhaupt die ganze Menüfolge war nun ein Leichtes, die Weichen waren gestellt. Wenn das Startprogramm richtig eingestellt ist, wird das Fest richtig supergut. Ich las mal das Rezept für “Huhn, indianisch”: Man jage ein Huhn im Garten, greife und erlege es weidgerecht… Soweit war mir das ” Huhn, portugiesisch” ja schon mal ganz gut gelungen.

Das Huhn wurde beim Metzger bestellt und sollte am Samstagvormittag abgeholt werden, damit es um 15 Uhr pünktlich im Suppentopf landen konnte. Natürlich über dem offenen Feuer kochend!

Weil wir um 10 Uhr mit der Arbeit in der Galerie beginnen wollten, kam Hagen auf die Idee, das Huhn noch vorher abzuholen. Aber der Metzger hatte um 9:30 Uhr noch geschlossen, das war die erste vergebliche Anreise in Sachen Suppenhuhn.
Am Samstagvormittag ergaben sich beim Aufbau der Ausstellung in der Galerie unvorhergesehene Schwierigkeiten in Gestalt von fehlenden Röllchen in der Galerieleiste, so dass wir die meisten Bilder nicht mit Drahtfäden aufhängen konnten. (Der Sohn der Galeristin sagte auf meine Anfrage nach den fehlenden Röllchen: Nein, wir haben nicht zu wenige Röllchen, sondern Sie haben zuviele Bilder. Männliche Logik beeindruckt mich immer wieder.) Bis die Röllchen da waren, war es 20 Minuten vor 1 Uhr, jetzt noch der Heimweg von 30 Minuten – und wir kamen zu spät, denn der Metzger schließt pünktlich um 1 Uhr und öffnet erst wieder nach der Mittagspause um 3 Uhr.
Hagen fuhr zum dritten Mal hin: Und welche Freude, der Laden war geöffnet. Nur das Huhn war nicht da. Der Meister hatte es vergessen. “Nehmen Sie doch ein frango”, schlug er vor.
Also, ich bitte Sie! Ein Brathähnchen statt eines Suppenhuhns?!!!
Das geht doch schon mal gaaaaar nicht.
“Ich werde sofort eins schlachten, kommen Sie in einer halben Stunde wieder.” Reumütig versprach der gute Mann etwas, was er bestimmt nicht halten würde. Wir kennen uns ja doch schon ein bisschen aus. Trotzdem fuhr Hagen 40 Minuten später hin, zum 4. Mal!
Mit Bedauern teilte ihm der Metzger mit, dass er kein passendes Huhn gefunden habe, seine eigenen seien einfach nicht das, was man einem so guten Kunden anbietet. Aber er habe da noch eine Quelle. Und wenn der Paschtore noch ein bisschen warten könne… Der Metzger würde dann telefonieren.

Natürlich konnten wir warten. Wir schon. Aber die Nachbarin doch nicht, die da am brodelnden Suppentof saß, der auf einem Dreibein über dem Holzfeuer stand und wartete – ein Bild wie aus der griechischen Sage. Das Orakel von Delphi.

Aber tatsächlich fuhr Hagen hin – zum 5. Mal und bekam ein Huhn überreicht, ich kann Ihnen sagen, sowas von portugiesischem Supersuppenhuhn gibt’s nicht noch einmal. Es war ein Prachtexemplar von Übergröße. Das heißt, hier in Portugal ist sowieso immer alles viel größer als woanders. Größer und besser und überhaupt. Das Huhn musste zerteilt werden, weil es gar nicht in den Topf passte, obwohl der der größte Topf im Gesamthaushalt war, mindestes 60 Liter Inhalt. Und beim Zerteilen fanden sich im Bauche des Huhns drei große Eier in Vorbereitung, mit denen die galinha schwanger ging. Die hätte, wenn man sie gelassen hätte, heute am Sonntag bestimmt zwei, wenn nicht gar drei Sonntagseier gelegt. Naja, damit wars nun ein für alle Mal vorbei.

Und nun kann ich nur noch erzählen, dass das eine ganz wundervolle Canja geworden ist, eine Jahrhundertcanja ohne Lauch, mit etwas Salz und Petersilie, aber mit so viel Liebe und gutem Wasser über einem portugiesischen Feuerchen gekocht, da werden wir noch Jahre von träumen…

O, gepriesen seien die Suppenhühner und die Suppenköchinnen Portugals!

Eine Antwort verfassen