Wortschatzübungserfahrungen

Verfasst am: 10. Dezember 2011 von Barbara Keine Kommentare

Wortschatzübungserfahrungen

Selten waren wir so sehr froh, dass wir schon einigermaßen die deutsche Sprache beherrschen.
Als jetzt Herr Miguel, ein portugiesischer Geschäftsmann, für seinen nächsten Besuch in Alemanha seine Deutschkenntnisse ein wenig aufpolieren wollte, kamen wir sehr ins Nachdenken über die Ungereimtheiten der deutschen Sprache.
Und über Unaussprechliches.
Und über Unerklärliches.

“Warum gibt es eigentlich drei Geschlechter?”, fragte er. “Selbst das Kind (sächlich) ist doch entweder männlich oder weiblich. Und das Wort Sache ist auch weiblich. Was ist denn eigentlich neutral?”
Ja, wie Recht er hatte, das fanden wir auch seltsam und wenig einleuchtend und im Portugiesischen viel logischer.

Dass der Mond hier weiblich und die Sonne männlich ist, die Liebe männlich und der Tod weiblich, kann man noch mit einigen ethnologischen Argumenten klarstellen, haben wir ja auch mehrmals versucht, aber schon beim Apfel beginnt der Sündenfall, denn der ist so süß und rund und appetitlich und eigentlich doch weiblich wie im Portugiesischen , aber warum ist der deutsche Apfel männlich?

Und dann die Buchstaben, die es im Portugiesischen gar nicht gibt:
das ß – Eszet, wo alle portugiesischen Schüler zunächst mal ein B lesen, also die StraBe, das GefäB (was ist das wohl???), der FuB.

das w , das wenigstens beim Volkswagen VW, sprich Bolksbagen, als begreifbar und realistisch in Erscheinung tritt.

die Umlaute ä und ö und ü – wo wir den Jubel von Prof. Higgins verstehen können, als “My fair Lady” endlich aussprechen kann: “Es grünt so grün, wenn Spaniens Blüten blühen” – Mein Gott, jetzt kann sie es!!! Also, mal ehrlich, “Frühstücksbrötchen und Gewürzgurke und Geschirrspülmaschine” sind doch schröckliche eigentümliche Ungetüme…

die Diphthonge eu und ei und au oder gar äu, mit denen wir wegen unseres Namens und unserer Herkunft schon lange hadern, weil niemand Deutschland und Seuffert und Euros sagen kann. Aber wir haben das gelöst, indem wir wie alle anderen Leute Alemanha und Eros sagen und die Vornamen oder den Beruf nennen,

das ch, das hier jeder als sch oder im Fortgeschrittenenkursus als k ausspricht, bis er auf das ck trifft. Warum kann denn das nicht einfach kk heißen? Hier wäre doch eine Reform wie bei ss angesagt.

das z – bei den Portugiesen wird das z ganz weich ausgesprochen wie beim Summen und bei Susanne, denn für das scharfe z gibt es hier das c oder das ç mit Cedille, .. Wie lange wir das üben mussten! Und irgendwie bleibt es uneinsichtig.

Am schlimmsten aber sind die zusammengesetzten Substantive, die oft jeder Logik entbehren. Jacqueline schickte mir einen herrlichen Artikel über dieses Thema, wo der Unterschied zwischen einem Juwelendieb (er stiehlt Juwelen) und einem Hoteldieb (er stiehlt natürlich nicht Hotels) und einem Tagedieb und einem Strauchdieb erklärt wird, so dass man erleichtert lachen muss: Stimmt, diese zusammengesetzten Substantive sind noch schröcklicher und unerklärbarer als die genannten deutschen Spracheigentümlichkeiten.

Also, wandten wir uns wieder unseren Wortschatzübungen zu und erklärten, dass man mit der Kaffeemühle Kaffee mahlt (bitte mit Dehnungs-h, sonst würde es sich um ein Gemälde handeln), aber mit der Wassermühle kein Wasser und mit der Windmühle keinen Wind, dass ein Bettbezug typisch deutsch für ein Federbett ist und sogar auf ein Wasserbett gehört, weil man in Deutschland nicht wie hier oder in Italien und Frankreich zwischen zwei Bettlaken schläft, dass die Tapete, was hier ein Teppich ist, in Deutschland an der Wand klebt…
und.
und..
und dann kam die Nak-di-schlampe!

“Es heißt Nacht, bitte, sprechen Sie aus: Nacht wie Licht, Wucht, Docht, Hecht.”
Er sagte nach mehreren Versuchen Nackt und dann endlich Nacht. Und fuhr fort: Nachtisch.”
“Nachtisch ist sobremesa, sehen Sie, hier sind zwei t, das eine gehört zur Nacht, das andere zum Tisch. Also bitte mit Pause Nacht—tisch.”
Es klappte nach einigen Malen mit tiefem Luftholen, und dann las der begeisterte Deutschschüler das ganze Wort: “Nacht—(Pause)-tischlampe.”
Oh!
“Es sind 3 Wörter, die hier aneinandergereiht sind, nämlich Nacht und Tisch und Lampe. Sie sollten niemals Schlampe sagen, das ist ein schlechtes Wort für eine liederliche Frau. Wie heißt die denn auf Portugiesisch?”
Wir versuchten es mit einigen Erklärungen, aber unser Schimpfwortvokabular ist einfach nicht groß, weil die Portugiesen aus Höflichkeit mit unsereins ganz anders reden als untereinander. Schließlich fanden wir im Lexikon das Wort porcalhona für eine sehr schmutzige Frau, aber ich finde, das ist keine treffende Übersetzung, denn Schlampen haben bei ihrer leichtsinnig – unbeschwerten Lebensweise gar nicht so sehr viel Schmutz um sich, aber oft sehr viel Charme und Liebenswertes.

Unser Begrüßungslieblingswort bei jedem Treffen wurde fortan: “Nacht-Pause-Tisch-Pause-Lampe”.

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