Dorffest 2011

Verfasst am: 21. August 2011 von Barbara 1 Kommentar

Dorffest 2011

Das Dorffest zu Ehren der Nossa Senhora da Saúde begann wie jedes Jahr  nach dem Feiertag "Mariä Himmelfahrt". Es begann wie jedes Jahr am Freitagnachmittag. Und es begann mit drei gewaltigen Böllerschüssen. Da heulten alle Hunde des Dorfes auf und bellten und kläfften. Und seitdem bellen und kläffen sie immer wieder.
Trotzdem waren wir alle etwas irritiert, denn schon vorher hatten immerzu die Glocken geläutet, das war ein akustisches Spektakel. Aber das Glockengeläut galt einem Verstorbenen, der dann ja am nächsten Tag schon in der Kapelle aufgebahrt und beerdigt wird, wozu alle Dorfbewohner, besonders die Männer und Kirchenvorsteher, aufgerufen sind. Da kam das ganze Festprogramm schön durcheinander, denn die Frauen konnten die Statuen in der Kirche nicht schmücken und die Verantwortlichen konnten die Bar nicht bedienen. Und man durfte auch nicht so pietätlos fröhlich sein. Es gab außerdem noch so viel zu tun.

Irgendwie hatte der Hausputzrausch alle erfasst. Jeder pinselte seinen Zaun, kalkte die Wände oder mähte seinen Rasen. Dabei kommt doch Gott gar nicht in alle Ecken. Schon gar nicht in unsere Straße. Es ist unerklärlicherweise ansteckend, wenn sich ein Dorf fürs Fest rüstet, auch wenn man gar nicht betroffen ist und niemanden zum Essen eingeladen hat. Wir hatten leider auch keinen Besuch zu erwarten, waren aber traditionsgemäß eingeladen worden, schon Monate vorher. Wir lieben das Dorffest und die Stimmung und die Kräuterprozession und die Geräusche und Musikfetzen in der Nacht und die reich gedeckten Tische und die traditionelle Speisenfolge.

Am Freitagabend um 9 Uhr machten wir einen Kontrollbesuch. Die Lichterbögen leuchteten schon, die ersten Autos fuhren die Straßen prüfend auf und ab. Die Bar war schön geschmückt und mit Binsengras von der Ria ausgelegt, das duftete wie Kalmus, mit dem man früher in Pommern die Bauernstuben auslegte.Der Besuch war noch spärlich, aber zwei Männer waren mit ihren Gitarren gekommen, und das war ein Novum, das auch nicht im Programm stand. Fadomusik gibt es nicht mehr, seit TV5, FAX und andere Bands und Karaoke auf dem Programm stehen. Die beiden Gitarristen waren von einem der Barkeeper eingeladen worden und wurden erst einmal reichlich gefüttert. Es gab frisch gebackenes Brot aus dem Steinofen in der Bar, dazu eine ganze Schüssel gebratenes Fleisch und literweise Rotwein. Die beiden Fadistas hatten sich schön frisiert, rasiert und angezogen, ihr offenes Hemd gab den Blick auf dicke Goldketten (mit Kreuz) frei, auch ihre goldenen Fingerringe glänzten unübersehbar. Während des Essens wurde laut telefoniert, vor allem schnell, und wahrscheinlich witzig für das Publikum. Als die Fleischtöpfe und Flaschen leer waren, gingen die beiden zum Waschbecken und stellten ihren untadeligen Anblick wieder her und sich alsdann in Positur (ein Bein höher gestellt und mit dem Gesicht zum Publikum gewandt), stimmten ihre Gitarren und begannen zu singen. Und keiner dieser Barbesucher-Banausen hörte hin, sie quatschten und telefonierten, riefen laut ihre Bestellungen zur Theke, kamen und gingen. Wir aber versicherten nach jedem Lied, dass wir das schön finden und klatschten und wollten mehr hören.
Dabei konnte man schön die Besucher (kleine dicke Männer) beobachten und feststellen, dass die meisten jüngeren männlichen Dorfbewohner heutzutage unheimlich gut genährt sind. Sie kamen alle mit dem Auto vorgefahren (die wenigen Meter von  daheim) und schlenderten cool an die Theke, wo sie sich lässig anlehnten, tranken ein Bier oder eine copa Wein, quatschten laut und gingen wieder hinaus. Und alle hatten ein ansehnliches Ränzlein, denn das Essen in Portugal ist so gut wie eh und je, aber keiner (außer den Maurern und das sind echte Six-Pack-Typen) arbeitet mehr wie eh und je, und keiner geht mehr zu Fuß wie früher oder arbeitet hart im Weinberg, auf dem Feld oder im Stall. Es gibt keine Kühe mehr im Dorf, überhaupt keine Viehzucht, kaum noch Weinfelder und kaum noch Mais- oder Kartoffel-Ernten. Wahrscheinlich ist das die Computer-Generation, die vorm PC abhängt und Chips isst und abends im Café Bier trinkt.
Je später es wurde, desto mehr Gäste, auch mit Kindern, kamen. Um Mitternacht war die Dorfstraße und die Theke in der Bar richtig belebt, die Fadisten machten eine Pause. Der Mond schien hell, die Frösche quakten, das Gras duftete. Fadoabende – unerwartete – sind sowas von authentisch.

Eine Antwort

  1. Harry schreibt:

    Sehr schön:
    "Dabei konnte man schön die Besucher (kleine dicke Männer) beobachten und feststellen, dass die meisten jüngeren männlichen Dorfbewohner heutzutage unheimlich gut genährt sind. Sie kamen alle mit dem Auto vorgefahren (die wenigen Meter von  daheim) und schlenderten cool an die Theke, wo sie sich lässig anlehnten, tranken ein Bier oder eine copa Wein, quatschten laut und gingen wieder hinaus. Und alle hatten ein ansehnliches Ränzlein, denn das Essen in Portugal ist so gut wie eh und je, aber keiner (außer den Maurern und das sind echte Six-Pack-Typen) arbeitet mehr wie eh und je, und keiner geht mehr zu Fuß wie früher oder arbeitet hart im Weinberg, auf dem Feld oder im Stall. Es gibt keine Kühe mehr im Dorf, überhaupt keine Viehzucht, kaum noch Weinfelder und kaum noch Mais- oder Kartoffel-Ernten. Wahrscheinlich ist das die Computer-Generation, die vorm PC abhängt und Chips isst und abends im Café Bier trinkt. "

    Also, da wundert einen doch die "crise financeira" auch nicht mehr, oder?!

    Nur zu Ergänzung müsste man noch aufzählen:

    Der Bauboom (jede Krankenschwester hat ein Haus, noch besser Verdienende eins am Meer), die Europameisterschaftsstadien, die nun z.B. die Stadt Aveiro 55.000 Euro Unterhalt im Monat kosten und die nagelneuen Autobahntrassen, die kaum einer nutzt, seit sie 50 Cent Maut kosten.

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