Passionsmusik

Verfasst am: 26. März 2011 von Barbara Keine Kommentare

Passionsmusik

Portugal in der Passions- und Osterzeit –
Das sind Erinnerungen an Frühlingsluft, an Kathedralen voller Orgelmusik, an blühende weiße Callas, Heiligenstatuen in lila Samtgewändern, traurige Muttergottesfiguren, an den Geruch von Weihrauch und Bohnerwachs und Moder und Putzmitteln, aber vor allem die Erinnerung an große Musik, an Konzerte, Choräle, Passionsmusik, Bachs Johannes-Passion, Bachs Matthäus-Passion –

Unsere jetzige Passionsmusik – ai, tristeza…
Da der Chorleiter und Organist uns verlassen hat, suchte das Fähnlein der sieben Aufrechten (mehr als 7-12 sind es wirklich nicht mehr) einen Ersatz und fand auch jemand, der "schon mal" auf einem Keyboard gespielt hat und uns im Gottesdienst begleiten würde.

Die Übstunden laufen nach altbekanntem Schema ab:
Alle kommen zu spät.
Lange wird herumpalavert, weil keiner die nötigen Vorgaben kennt: weder die Perikope für den betreffenden Sonntag und somit das Thema der Botschaft, noch den Psalm und den Halleluja-Vers.

Nach 45 Minuten hat der Organist mit einem Finger die Melodie für das Eingangslied zusammengesucht. Es ist zwar Passionszeit, aber wir schlagen möglichst Lieder in C-Dur, also ohne Kreuz, vor. Unser Kreuz hier ist ein ganz anderes. Wir vermeiden auch Melodien mit zwei b. Wir leiden geduldig vor uns hin. In der Kirche ist es nachts um 22 Uhr sehr kalt.

Wir brauchen viel Zeit, um uns auf ein Lied zu einigen, das sowohl die Sänger und als auch der Harmoniumspieler kennen. Beherzt singen wir einige Strofen vor. Aber da alle nur nach Gehör singen, stimmt der Gesang oft nicht mit den Noten im Gesangbuch überein. Wir leiden stumm und lächeln ermutigend. Keiner ist unruhig und keiner murrt.
Oh, santa paciência!
Dem Ersatzspieler kann man gar nicht böse sein, er ist ein freundlicher Familienvater, seine kleine Tochter sitzt bewundernd aufschauend neben dem Papa. Der entschuldigt sich mehrmals. Er hat wunderschöne dunkle sanfte Augen und bittet um Verständnis. Wir verstehen und leiden.  Er spielt ganz anders – leise, vorsichtig, langsam, getragen,  ganz anders als wir zu singen gewohnt sind, wir singen gerne mit etwas Schwung und Begeisterung und schön laut und kräftig und etwas schneller und voll Inbrunst.
Aber es ist ja Passionszeit und wir leiden geduldig.
Wir leiden 2 Stunden und gehen dann halberfroren durch die kühle Frühjahrsnacht nach Hause.

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