Schlachtfest 2010

Verfasst am: 7. November 2010 von Barbara 1 Kommentar

Matança do Porco am 5.11.2010

1. Vorbereitungen
Als wir am Donnerstagabend in der Kapelle die Psalmen und Lieder für den kommenden Gottesdienst einübten, an dem übrigens nachmittags die Totensonntags-Prozession ("Fieis Santos") stattfindet, wunderte ich mich doch sehr über die angeregt-aufgeregten Gespräche der Frauen über Broccoli und Bohnen.
"Was hat denn das mit unseren frommen Liedern und der Allerheiligen-Prozession zum Friedhof zu tun?"
"Das ist wegen der Suppe beim Schlachtfest, die ich koche", sagte Dorinda, "und ich brauche doch noch etwas Kohl und Brokkoli dazu."
Na klar, lass die Toten ihre Toten begraben, wir haben jetzt erstmal Schlachtfest.
Am Freitag wird das Schwein geschlachtet.
"Diesmal werde ich Aufnahmen machen, damit unser Dorf auch richtig erwähnt wird. Im letzten Jahr hatten sie zwar ein Foto von Antonio und Nene am Grill gebracht, aber dazu geschrieben, das traditionelle Schlachtfest habe im Nachbarort stattgefunden. Und das passiert uns hier nicht noch einmal."

2. Das Schweineschlachten
Also gingen wir um 18 Uhr zur "Bar", wo schon alles für das Schlachten vorbereitet war und der Obermetzger Senhor Morgada das Messer wetzte. Paulo, Carlitos, Nelson arbeiteten und schleppten Apparate, Bierkästen, Vorräte herbei. Ihre Frauen wischten und putzten, räumten und waren bester Laune, während sich die Männer erzählten, wie erfolgreich sie bei früheren Schlachtfesten gewesen waren, bis …naja, einmal ist das Schwein tatsächlich mal ausgerissen und abgehauen, das war vielleicht ein Ding, haha!!!

Nach anderthalb Stunden zogen sie dann los, um das Schwein zu holen und über die nächtliche Dorfstraße zur Schlachtbank in der "Bar" zu führen. Bald darauf hörte man das arme Tier auch schon fürchterlich quieken, denn das merkte natürlich, worauf das Abenteuer hinauslief. Mit unendlicher Mühe und Anstrengung bewegten Antonio, Paulo und Carlitos und andere Helfer die Porca vorwärts, blockierten den Verkehr, lockten alle Anwohner aus den Häusern – und schließlich warf sich das Schwein einfach platt auf die Straße und blieb liegen.

Mir fiel der Auftritt mit unserer jungen Querida ein, die ich einmal ganz hoheitsvoll an der Leine duch ein Café führen wollte, die sich aber weigerte und hinlegte und nur auf allen Vieren wie ein ausgestopfter Teddy hinterher ziehen ließ.

So zogen die Männer das Tier wie einen gestrandeten Wal über die Straße. So ein armes Schwein…
Den weiteren Vorgang mochte ich nicht sehen und unterhielt mich mit meiner Nachbarin, die gerade mit dem Rad daherkam und mir ihre Erfahrungen über ihre Schlachtfeste früher-antigamente mitteilte.

3. Kochen, Backen, Braten nach traditionellen Rezepten
Den ganzen Samstag-Vormittag über wurden in der "Bar" die Speisen zubereitet. Das zerlegte Schwein wurde fachkundig verteilt und in verschiedenen riesigen Töpfen und Tiegeln gekocht, geschmort oder für den Grill mariniert. Stolz zeigte Antonio den Kessel mit Blut und Leber für den beliebten Sarrabulho (das ist geronnenes Blut mit Leber und Schmalz und Zwiebeln). Die Gemüsesuppe kochte und duftete schon,  die Bohnensuppe (feijoada) ebenfalls, und im Steinofen wurden Brötchen gebacken. Die Bifes, Kosteletas und Rojoes warteten noch auf spätere Verwendung, sie werden am Abend ausgegeben. In der Glastheke lagen verführerisch unzählige Puddings "Molotov" und Vanillecremes und Kuchen und Götterspeisen und natürlich Getränke – ohne Ende.

4. Die Speisung
Um 12 Uhr mittags kündigten fuguetas den Beginn des Essens an. Da standen die Dorfbewohner schon Schlange, zeigten ihre gekauften Teilnahmekarten, bekamen ein rotes Bändchen ans Handgelenk, holten sich Schüsseln und Teller und Besteck, suchten sich einen Platz, wurden von den lieben fleißigen Frauen des Dorfes bedient, und das Schmausen hob an.
Es beginnt mit einer Gemüsesuppe (mit viel Fleisch, Kohl, Möhren – dazu ein Brötchen und Rotwein).
Danach ein Teller Sarrabulho.
Danach Reis mit vielen Fleischstückchen.
Danach die reichhaltige Bohnensuppe mit viel Speck und verschiedenen Sorten Bohnen.

5. Und es geht weiter…
Danach streikte mein Gewährsmann und Augenzeuge und teilte mir nur mit matter Stimme mit, dass das nun bis Mitternacht so weitergeht. Jedesmal, wenn die Ausgabe einer dieser Speisen beendet ist und eine neue angekündigt wird, schlagen die Köchinnen auf den Topfdeckel und es gibt einen rasanten Tellerwechsel und einen neuen Schlag Essen.
Über allem dudelt und quasselt der Großbildfernseher.

Und nun male sich jeder selber aus, wie köstlich die geschmorten Fleischstückchen, gebratenen Steaks und Koteletts, die Puddings und Kuchen und Nachspeisen und cafézinhos und Weine und Biere schmecken.

Und man stelle sich einmal vor, wie glücklich und friedlich so ein sattes Dorf bei einer so gelungenen traditionellen Matança do Porco ist.

Eine Antwort

  1. B. schreibt:

    Korrektur: Der Totensonntag heißt hier "Fieis Defuntos", aber "Heilige" sind sie als Kinder Gottes ja auch.

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