Herbstfahrt auf dem Douro 2010

Verfasst am: 2. November 2010 von Barbara Keine Kommentare

Dourofahrt im Oktober 2010

Schon lange hatten wir uns diese Reise gewünscht. Wie wunderschön müsste eine Tagesfahrt auf dem Douro an einem goldenen Herbsttag sein. Aber im Internet fanden wir nur Angaben über mehrtägige Flußreisen. Doch wir haben ja in unserem Dorf die Clara, die uns helfen wird. Sie brachte schon am übernächsten Tag die Vorschläge, Prospekte und Unterlagen aus ihrem Reisebüro, und wir entschieden uns für die Fahrt am 28.Oktober. Eine solche Reise besteht aus der Zugfahrt von Porto nach Regua und der Schifffahrt stromabwärts nach Porto, Mittagessen inklusive. Diese Fahrt kostet 56 Euro pro Person. Dazu kommen die Taxifahrt nach Aveiro (15,40) und die Zugfahrt nach Porto (Hin+Rück 2,20, ich schreibe extra die Preise auf, damit wir später einmal vergleichen können.  An sich passt das kühle Rechnen nicht zu diesem wunderbaren Reiseabenteuer).

Und so warteten wir um 6:30 auf der nächtlich stillen Dorfstraße  auf das Taxi, es war sehr milde. Die Hähne krähten. Der Taxifahrer war pünktlich und fröhlich, er fuhr über die Dörfer, um die Maut von 50 Cent zu sparen, die man seit 15.10. auf der A17 zahlen muss. Katzenaugen glühten im Dunkeln. Einige Männer waren schon unterwegs und taumelten schlaftrunken in die hell erleuchteten Cafés.

Die Fahrt von Aveiro bis Porto in dem modernen Zug dauerte eine Stunde. Langsam füllte sich der Zug mit morgenmüden Leuten. Eine junge Frau lackierte sich die Nägel. Die meisten dösten.
Die Schrifttafel zeigte die Zeit, Temperatur und die Haltestellen an:
Cacía – Estarreja – Aranca – Válega – Ovar- Cortegaça – Esmoriz – Espinho –Granja – Valadares – Madalena – Gaia – General Torres – Campanho – São Bento

Wenn ich ohne Kenntnis in diesen Zug gesetzt würde, wüsste ich dann, dass ich in Portugal reise? Uns fiel auf, dass alles sehr sauber ist, die Leute sehr höflich, ruhig und diszipliniert sind. Könnte das hier auch ein Vortortzug in Berlin, Moskau, Paris sein?

Um 7:36 waren draußen schon 18 Grad, das Gespräch wurde lebendiger, viele mussten stehen. Die Schaffnerin sah eher wie eine Studentin aus, Pferdeschwanz und graue Uniform.
Hinter Espinho fährt der Zug am Meer entlang. Ein Laufsteg durch die Dünen, die Wellen spülen ans Ufer. Granja hat schöne alte Villen, dahinter die Promenade und das Meer. Dieser Abschnitt ist der schönste an der Strecke.
Über Porto ging die Sonne auf.
Ein schöner Tag brach an.

Auf dem Bahnhof S. Bento hatten sich die Studenten versammelt. Die Älteren in schwarzen Gehröcken und schwarzen Capas trieben mit den Erstsemestern Scherze. Die Neulinge hatten je nach Fakultät irgendwelche "Uniformen" an: grüne Hosen, rosa T-Shirts, Nachttöpfe auf dem Kopf oder grüne Hasenohren an den orange Baseballmützen. Die Gruppen brüllten im Sprechchor  irgendein Gelübde. Schöne junge hoffnungsfrohe Menschen.
Die Zeit ist hier stehen geblieben – 100 Jahre zurück. Die Häuser am Bahnhof sind alt und verkommen und wirken dennoch prächtig in der Morgensonne.
Im Eingang des berühmten Bahnhofs mit seinen Azulejos-Schlachtengemälden stand ein Portugiese, 40 Jahre, der typische "beste Liebhaber", Hände in den Hosentaschen, träumend, niemand kam an ihm vorbei, er hörte und sah nichts, eine Reisende (Stewardessentyp  mit Koffer) tippte ihn an, bat ihn wegzugehen, schob ihn zur Seite, er reagierte nicht, sie drängelte sich vorbei, war empört. Da zog er sich zurück, ohne Entschuldigung. Tja, so sind sie eben.

9:15 fuhr der Zug nach Regua ab. Alle Mitreisenden setzten sich an die Seite des Zuges, wo sie später den Blick auf den Douro haben. (Aber die Fenster müssten etwas "durchsichtiger" sein.)
Hier ist Zugfahren wirklich ein Genuss. Ich erinnere mich noch gut an unsere erste Zugreise mit dieser Bahn bis zur Endhaltestelle Pocinho, an den Bahnhöfen konnte man große frisch gebackene Brotlaibe kaufen (spanisches Weißbrot), da gab es gusseiserne Bahnhofsuhren und  Laternen, altmodische Toilettenhäuschen ("retretes"), Aufschriften und viel vergangene Herrlichkeit zu bewundern.

Den begeisterten Bericht "Flussfahrt" kannst du nachlesen im Archiv "Mails aus meinem Dorf" am 12.8.2002.

Die Orte an der Bahnlinie ab Porto heißen:
Ermesinde – Paredes – Penafiel – Bustelo – Meinedo – Caíde – Oliveira -
Vila Meão – Recesinhos – Livração – Marco de Canaveses – Juncal – Paia –
Mosteiro
– von nun an ist der Douro zu sehen, schöne Uferfahrt, mal über Brücken,   mal dicht am Abgrund, mal durch Tunnel und durch den Garten des Bahnwärters und an seinem Tisch vorbei (das erinnert mich an die Theater-Kulisse "Das Haus auf der Grenze"), und immer die Berge, die Weinberge – welch grandiose Landschaft .
Aregos – Mirão – Ermida – Porto de Rei – Barqueiros – Rede – Caldas de Monedo – Godim – Regua

Mit einer "Kindereisenbahn" fuhren wir durch die Stadt vom Bahnhof zu den Kais. Sonne und frischer Wind. Wir folgten der jungen Reiseleiterin bis zum Kai und bestiegen die "Princesa do Douro", nachdem wir gesagt hatten, ob wir zum Almoço
lieber Fisch (codfish) oder "francesina" (Toast mit Meat) wünschen.

11:45  Wir legten ab. Manchmal ertönte die Stimme der Reiseleiterin auf Portugiesisch und auf Englisch, zu verstehen ist weder noch, aber die Stimme war angenehm. Es gab auch kein Musikgedudel. Das Wetter war herrlich, der Himmel wolkenlos blau, der Wein färbte sich an den steilen Terrassenhängen rotbraun, gelbbraun, grüngelb, kleine schmucke Häuser mit roten Ziegeldächern, verfallene Fabrikgebäude (Weinlager?), Agaven. Die Sonne schien auf die Südhänge, aus der Schiffs-Küche duftete es nach Pommes frites. Die Berge bilden eine großartige Kulisse für den schnell dahinströmenden Douro. Manchmal viele riesige Steinblöcke wie in der Serra da Estrela, und auf jedem bebaubaren Fleckchen ein paar Weinstöcke. Der muss hier doch richtig in der Sonne kochen. Und welch harte Arbeit, welche Quälerei!

Mittagessen. Auf dem weiß gedeckten Tisch standen Vinho Verde und Wasser, ein Brötchen mit Butter, ein Suppen- und ein flacher Teller. Es gab pürierte karottengelbe Gemüsesuppe, danach den Bacalhau oder den Ketchup-Käse-Fleisch-Wurst-Toast mit Pommes, auch Orangensaft und Rotwein werden angeboten. Nach dem Essen Vanille-Pudding (bzw. leite creme oder crème brulée) und ein cafesinho.

13.45  Die erste Schleuse: Wir fuhren hinter der "Senhora do Douro" in die Schleuse ein, dann wurde das Tor geschlossen, dann das Wasser abgelassen, wir sanken wirklich 35 m tiefer. Es dauerte ungefähr 20 Minuten. In der schwarzen Tiefe zwischen den nassen Zementwänden hallten die Stimmen. Der Himmel ist ein blaues Viereck und eben noch 35 m höher und weiter als vorher. Wie das klingt, wenn man aus der Tiefe ruft und der Himmel so weit ist! Das Tor wurde geöffnet und wir glitten weiter auf dem Douro. Die riesige Staumauer lag dahinten. Am schönsten sind die Biegungen und Windungen, man ahnt geheimnisvolles, fühlt sich wie auf einem See, vergleichbar dem Gardasee.
Ich dachte an Timons Lorelei-Interpretation und alle "Beeinträchtigungen", aber am Douro kämmt sich keine schönste Jungfrau die goldenen Haare, unser Schiff ist keine Nussschale, sondern modern und fährt im Sonnenlicht dahin, Rheinromantik ist etwas ganz anderes.
Ich muss
te auch an Leticias Reisebericht über ihren Douro-cruzeiro denken, sie fand diese Reise schrecklich langweilig, hatte Kopfschmerzen und musste tatenlos herumsitzen, wo sie doch lieber in ihrer Erde gewühlt hätte.

Wieviele Kilometer legt man bei dieser Flussfahrt Regua-Porto zurück? Wie breit ist der Douro an der breitesten Stelle?
Der Kapitän beantwortete unsere Fragen, er war so rund wie ein Fußball, sprach Deutsch und sagte, dass er in Erfurt war. Er gab uns eine Karte mit dem Flusslauf und allen wichtigen Angaben:
Also, die Fahrt von Regua bis Porto beträgt 106 km und in dem Ort Melres ist der Fluss am breitesten, nämlich 300m.

Wir sahen herrlich hohe Brücken und verstanden die Angaben der Reiseleiterin nicht, staunten aber trotzdem, wir sahen die großen Weingüter der bekanntesten Portweinkellereien, die alten Herrensitze und reichen Anlagen. Wir bemerkten, dass es viele Kirchen, besonders neue moderne Kirchenbauten gibt.

16:45  waren wir an der 2. Schleuse, diesmal "nur" 14m Höhenunterschied, Dauer 10 Min.

Dann fuhren wir auf Porto zu. Viele Reiher, sie stehen auf Bojen im Strom, sitzen in den Bäumen, eine ganze Reiherkolonie.
Wie auf Rudolfos Bildern und  Zeichnungen lag die Stadt vor uns. Das Schiff glitt unter den vielen Brücken hindurch, fuhr unter der Arrabida-Brücke auf das offene Meer zu, wo es an einer Boje wendete und bei den Portweinkellereien am Kai in Gaia anlegte.

Ein herrlicher Sonnenuntergang auf dem Meer wurde uns zum Abschied beschert.

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