Kastanien aus dem Feuer holen

Verfasst am: 6. November 2009 von Barbara Keine Kommentare

Kastanien aus dem Feuer holen

In der Lübecker Stadtzeitung vom 15.5.2001 (Ausg.176) wird die Redensart "Die Kastanien (für jemanden) aus dem Feuer holen" so erklärt:
"Wenn jemand die Kastanien aus dem Feuer holt, so bedeutet das noch heute, dass dieser sich für einen anderen in Gefahr begibt – und nicht selten Undank dafür erntet. Die Redensart stützt sich allerdings nicht auf gewöhnliche Kastanien, sondern auf Maronen – jene schmackhaften Edelkastanien, mit denen die Lübecker einst im Süden bekannt wurden: Dort werden sie in der kalten Jahreszeit unter freiem Himmel geröstet und verkauft. Die Redensart geht jedoch weit ins 17. Jahrhundert zurück und ist der Fabel "Der Affe und die Katze" des berühmten französischen Dichters La Fontaine (1621-1695) entlehnt. Darin überredet der Affe Bertrand die Katze Raton, ihm geröstete Kastanien vom offenen Feuer zu stibitzen – und Bertrand verspeist die Früchte allein, ohne Raton auch nur eine abzugeben…"

Jetzt ist hier Maronenzeit, alle Supermärkte bieten zum St. Martin in ihren Prospekten Wein und Esskastanien an, auf dem Bauernmarkt lagen ganze Berge, überall zieht in den Straßen von Lissabon und am zentralen Platz in Aveiro der Rauch die Leute an: Schnell eine spitze Zeitungstüte voll Maronen kaufen, ahh, welch Genuss…

Wir haben gestern Abend in rasantem Tempo unsere Chor-Übstunde hinter uns gebracht, sogar das Programm für den übernächsten Sonntag schon aufgeschrieben, an dem nachmittags die Allerseelen-Messe (Os Fieis) und die Prozession zum Friedhof und die Trauerfeier bei den geschmückten Gräbern stattfindet.
Warum beeilten sich alle so sehr?
Weil sie draußen auf dem Kirchplatz ein Feuerchen und eine castanheira machen wollten. Ruckzuck waren die Bündel mit trockenen Rebenzweigen da, ein Feuerchen entzündet (das machte Rosa sowas von blitzschnell und gekonnt), die Kastanien in die Glut geworfen und dann stocherten Antonio und Gloria und der kleine Gabriel in der Glut herum, bedeckten die Maronen mit heißer Asche, schoben sie hin und her – und die Funken sprühten und die Kastanienschalen platzten krachend. Wir standen um das Feuer herum, es war ganz warm, zwei Frauen sangen lustige Liedchen mit viel Refraintrallala. Eine Flasche Geropiga kreiste, eine zweite…Die gerösteten Maronen wurden einzeln aus der Glut und Asche herausgeholt und in eine Schale gesammelt, sie schmeckten wunderbar. Wir puhlten und kauten und redeten mit vollem Mund. Plötzlich hatten wir alle schwarze Hände und Münder und mussten lachen und fanden uns und den schwarzen Ruß und überhaupt – eigentlich alles großartig, besonders unser Maronenfest hier nachts um 11 Uhr.

Das dörfliche Netzwerk, wo einer für den anderen die Kastanien aus dem Feuer holt und sich wärmen und satt essen kann…

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