Johannistag 2009

Verfasst am: 24. Juni 2009 von Barbara Keine Kommentare

Johannistag 2009

Ein strahlender Johannistag, so warm und sonnig wie früher in den Sommerferien. So habe ich das in der Erinnerung gespeichert und plötzlich ist alles wieder da und die vergangenen 20 Jahre sind wie weggewischt. Es ist alles wirklich noch so wie früher, das Meer ist von ewiger gleicher Macht und Schönheit, der heiße Sand, die Fischer bei der Arbeit, Kinderlachen, die Gerüche, die Laute, die Menschen … Nun, aber ich will mir nichts vormachen, die Menschen sind sich zwar treu geblieben, aber sie sind alle älter geworden.

Und ich bin auch meinem Johannistag-Rezept treu geblieben und rede seit Tagen davon, dass ich an diesem Tag 90 Walnüsse pflücken möchte und meinen Nusslikör aus Savoyen ansetzen will. Die Frage ist bloß, wie ich an die Nüsse komme. Denn es gibt zwar viele Nussbäume hier, ich sehe jedenfalls auf allen meinen Wegen welche, aber sie sind auch alle älter geworden, wie wir Menschen, und ihre Früchte hängen hoch in den breiten Baumkronen und sind unerreichbar. Und wer steigt jetzt in den Baum und pflückt mir 90 Nüsse? Jeder Baumbesitzer entschuldigt sich: der eine ist krank und sitzt seit seinem Schlaganfall im Rollstuhl, der andere steigt keine Leiter mehr hoch, der dritte kann nicht mehr richtig sehen, der vierte hält mein Vorhaben für Schwachsinn und mein flüssiges Projekt für überflüssig, und keiner will mehr sein Leben riskieren und keiner reißt sich mehr ein Bein aus (für mich schon gar nicht) und Alkohol trinkt eh keiner mehr …"in unserem Alter, ich bitte Sie!"

Aber ich habe heute am Johannistag doch meine Nüsse geerntet, habe sie vierteln lassen (!), habe aus unserem reichhaltigen Weinkeller die passende Menge Wein und Cachassa geholt und den Zaubertrank angesetzt. Es duftet wunderbar nussig und nach Wein und Agua ardente, und ich bin glücklich.

Wenn schon kein Hammerschlag mit dem Gummihammer auf den Kopf wie in Porto, wenn schon kein Sprung durchs Johannisfeuer, wenn schon keine Midsomernacht, dann doch wenigstens ein kleiner Hexentrank am St. Johannistag, dem Vorabend meiner 4. Chemiebehandlung. Man gönnt sich ja sonst nichts.

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