Krippenspiel 2008

Verfasst am: 27. Dezember 2008 von Barbara Keine Kommentare

Krippenspiel 2008

Ich will es gleich vorweg sagen: Das Besondere und Netteste an dem Krippenspiel 2008 war das Eselein.
Es war aus dem unteren Dorf her zum Stall getrippelt. Die Dona, der der Esel gehört, und ihr Ehemann Senhor Zé, der wirklich Josef heißt, legten eine Decke auf den Eselsrücken, setzten ihr Enkelkind darauf und kamen angewandert. Das Eselchen stand während der Weihnachtsgeschichte andächtig im Stall und spitzte die Ohren und schien jedes Wort und vor allem die Gesänge zu verstehen, schaute freundlich auf das Geschehen und trippelte danach wieder mit dem Kind neben Josef und seiner Frau höchst anmutig und willig nach Hause zurück.

Vielleicht stammte es von jener Sorte ab, die in den Evangelien öfter erwähnt wird. Da sind "die lastbare Eselin" und ihr Füllen immer sehr willig und bereit, wie ich gelesen habe.  
Die wirklich störrischen Esel – das sind wohl eher ganz andere Geschöpfe mit nur zwei Beinen…

Den ganzen Dezember über haben wir gebangt und gebettelt, damit das Krippenspiel doch wieder stattfindet, denn es lag einfach kein Segen auf diesem Dorf, das im letzten Jahr 2007 dem Christkind keine Herberge gab. Wir haben öfter gefragt: "Warum wart ihr im letzten Jahr eigentlich so unwillig und schlecht drauf?" Aber die einzige Antwort, die da kam, war: "Keine Lust…"
Sie hatten keine Lust auf Weihnachten gehabt.
Überall hing der Haussegen schief.
Alle hatten mit sich selbst zu tun gehabt und mit ihrem kleinen bescheidenen Leben, mit Krankheiten und Geldsorgen und Hausbau. Da war einfach kein Platz für den armen kleinen Deus Menino. Und also klappte das Dorf die Bürgersteige hoch und baute keine Krippenlandschaft in der Kirche und keinen Stall auf dem Dorfplatz und keine Herberge in den Herzen der Menschen. Und Weihnachten fiel aus.
Doch bald darauf kamen die Krankheiten und die Todesfälle und die Fehlschläge erst richtig und immer heftiger.

Da besannen sich die Leute plötzlich und waren bereit, diesmal den Geburtstag des Christkindes wieder zu begehen. Der Organist sagte zu, er komme diesmal bestimmt, und er war auch wirklich "guten Willens", obwohl er zu keiner einzigen Probe kam, die Generalprobe verschlafen hatte (?) und tatsächlich nicht eine Minute Zeit für die Unterstützung der Sänger und Mitspieler aufbringen konnte.
Aber Maria konnte ihre Lieder noch immer auswendig und mit heller Stimme singen, ein Baby war da und die Hirten waren bereit und sogar zwei kleine hübsche Mädchen aus der Katechese (als Engel). Trotzdem musste Hagen jeden Tag neu und unverdrossen die schwerfälligen Leute umstimmen und schieben und bitten, und er kriegte viele Absagen und hörte viele Ausreden.
Aber bei der Nachfrage, ob ein anderer Besitzer eines Esels wohl bereit sei, das Tier für den Stall zu spendieren (ein Gespräch, das nur über die Sprechanlage geführt wurde), hörte er zum ersten Mal ein klares "Combinado", – alles paletti. Damit verschenkte der kleine Weihnachtsesel seine ersten Freude- und Pluspunkte.
Und dann bauten einige tüchtige Männer des Dorfes ganz frühzeitig den Stall, so früh wie noch nie: 5 Tage vor Heiligabend stand der Stall von Belém auf dem Platz vor der Kirche. Sie hatten Eukalyptusstämme gefällt, zimmerten die Wandpfosten, das Dachgebälk und die Pferche für Ochs und Esel, schleppten dicke Knorren und Wurzeln für das Feuer herbei, und waren wie immer liebenswert fröhlich und guter Dinge.
Hagen stellte überall Plakate auf, die zum Krippenspiel einluden, der Padre fand bewegende Worte und rief in jeder Missa die Schäfchen auf, zum Geburtstag des Herrn nach Bethlehem-Carregosa zu kommen, die mexikanischen Ordensschwestern legten ihre weißen warmen Trachten bereit, die Musik beschallte den Kirchplatz – es wurde Heiligabend.

Unter dem sternklaren Himmel loderte das Feuer, das die Männer umstanden. Der Esel stand schon im Stall, die junge Kuh wiederkäute. Der Bauer, der sie gebracht hatte, hatte irgendetwas von einer "boseira" gesagt. Wir würden wohl "Färse" dazu sagen, und ich fragte nach dem portugiesischen Wort "boseira", das ich hier noch nie gehört hatte. (Konnte mir sowieso keiner erklären. Außerdem war das Wort völlig unverständlich und falsch ausgesprochen, eine junge Kuh heißt "bezerra". Egal, Hauptsache, sie stand da auf dem Stroh und verbreitete Wärme.) Die Hirten, Engel, der schwarze König mit Schminkutensilien, das Hochheilige Paar und meisten Mitglieder des Chores waren rechtzeitig und aufgeregt erschienen, nur der Padre nicht, den eine Grippe außer Gefecht gesetzt hatte. Aber seine Freiras vertraten ihn gut.

Nun wissen wir ja, dass die Weihnachtsgeschichte immer dieselbe ist, aber wir wissen auch, dass das Krippenspiel dennoch und selbst bei gleich bleibendem Ensemble und bei stets gleicher Besetzung jedes Mal ganz neu und ganz anders ist. In dieser Nacht jedenfalls war ein ganz besonderer Segen zu spüren, eine stille Freude lag in allem, vielleicht war es dieses "Wohlgefallen Gottes" an seinem armseligen Bethlehem in Portugal, wie es der Engel dann laut verkündet: "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen".

Nicht dass alles problemlos lief, ach, ganz und gar nicht:
Die Stimmen der Sänger waren ziemlich angekratzt,
die Hirten lasen von ihren Spickzetteln ab (den einen einzigen Satz, den sie nach 9 Jahren immer noch nicht auswendig sagen können),
das Kindchen weinte und jammerte untröstlich in Marias Arm, als es die Stimme seines Papas  (eines Hirten) vernahm,
der Engel überhörte sein Stichwort und hastete mit Verspätung zum Kirchenportal, um sein "Fürchtet euch nicht!" zu rufen,
der schwarze König schmiss sich mit solchem Temperament und richtigem Anlauf auf den Teppich zu Füßen der Heiligen Familie, dass der Weihrauchkessel umfiel und die glühende Kohle auf den Bettvorleger fiel und Löcher hinein brannte,
die meisten Leute am Feuer waren traurig und enttäuscht, weil so wenige Zuschauer gekommen waren, weil der und der so krank war und nicht kommen konnte, weil sich für den lieben Gott keiner mehr so recht interessiert, weil das TV mit seinen perfekten Super-Mega-Shows alles in den Schatten stellt…

und trotzdem war es schöner, ergreifender, berührender als in den vielen Jahren vorher,
Wie kam das, was war das?
Machten das die sanften Tiere im Stall, die Kuh, die mit einem wunderbaren tiefen, lang gezogenem Ton plötzlich mitsang, die freundlich lachenden Nonnen aus Mexiko, die drei ernsten königlichen Weisen ?
Es war wirklich ein besonderer geheimnisvoller Segen zu spüren, etwas, das es wohl nur in der Heiligen Nacht gibt bei Menschen, die Gott eine Herberge in ihrem Herzen und dem Christkind eine Krippe bereiten.

Und danach röstete Alexander 10 Kilo Maronen im Feuer, aus allen Ecken schleppte man Geropiga herbei, es wurde gegessen, getrunken, geredet, gelacht. "Ach, nächstes Mal machen wir anschließend Tanzmusik, es soll einen Baile geben auf dem Platz hier ums Feuer herum, o ja, das wäre schön…"

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