Quempas-Singen

Verfasst am: 13. Dezember 2008 von Barbara Keine Kommentare

Quempas-Singen

Lieber Claudio, zuvor wünsche ich einen frohen 3. Advent!

Heute gießt es mal wieder wie aus Eimern. Dieser Adventregen ist hierzulande der weiße Schnee, der in Deutschland schon überall fällt, den wir aber gar nicht vermissen. Der Regen auf den Feldern hier artet ja auch nicht in Katastrophen aus wie das jährliche gefürchtete Advent-Hochwasser am Rhein in Schierstein. Nein, hier ist der Regen hoch willkommen und wird auch bald wieder von strahlender Sonne abgelöst.

Gestern haben wir noch einmal die Sonne getankt, zuerst auf dem Bauernmarkt in Palhaça, wo so richtige Freude und Kauf- und Lebenslust herrschte, die Menschen leben alle auf, wenn die Sonne scheint. Das ist Lichttherapie, höchst wirksam und  - kostenlos. Dann sind wir an den Strand gefahren,…"wo Himmel und Meer sich küssen"…, das war unbeschreiblich schön: Sonne, warmer Wind, weiter leerer Strand, unendlicher Horizont…
Und dieses Licht. Dieses Licht. Was ist dagegen schon das Kerzenlicht des Adventskranzes oder der Lichterbaum oder die funkelnde bunte Beleuchtung in den Straßen und Fenstern und Vorgärten.

Nein, was uns hier wirklich fehlt: die Weihnachtsmusik. Die vertrauten traditionellen deutschen Weihnachtslieder. Natürlich haben wir sie auf CDs und Bändern, könnten sie notfalls auch selber singen, aber die deutsche Weihnachtsmusik braucht ihren vertrauten stimmungsvollen Hintergrund und weihnachtlichen Rahmen.

Und nun passierte wirklich eine Weihnachtsgeschichte.

Der Chorleiter hat unseren kleinen Kirchenchor für das Konzert in Vagos angemeldet, um mit dem Chor von Calvão (wo das Priesterseminar ist) und anderen Orfeãoes das Dreikönigssingen zu gestalten. Und da bekam er die Aufgabe, den Quempas und das Englische "Hark! The Herald Angels sing" mit seinem Kirchenchor darzubieten, welche Herausforderung! Denn der grupo coral besteht vor allem aus Bauersfrauen, frommen einfachen Leuten und älteren Männern und teilweise An-alphabeten, die jedes Lied nur nach Hörensagen singen können und auch den noch völlig unbekannten fremden Quempas-Text nicht lesen und die fremde ungewohnte Quempas-melodie nicht nach Noten, sondern nur nach mehrmaligem Wiederholen singen können. Sie sprechen kein Wort auf Englisch oder Latein.  Da ist z.B. ein alter Sänger, der immer einschläft in der Chorstunde und dem das Gebiss dann im Mund herunter fällt, das er dann im Mund wieder herumdreht und mit der Zunge an den richtigen Platz bugsiert. Solche Manöver halten ihn wenigstens eine Weile wach.

Und nun der geliebte Quempas!

Geduldig und fröhlich kommen wir zur Übstunde, "wohl zu der halben Nacht",  sitzen da in der kalten Kirche auf den Bänken aus Zement und warten geduldig, bis der Chorleiter erscheint und mit seinen Vorübungen fertig ist. Er prägt sich die fremdartige Melodie Ton für Ton – auch mal daneben – ein. Wir sitzen und warten und bewundern unsere Nachbarn, die so unendlich geduldig sind und freundlich lächeln.

Wir Gastarbeiter haben auf vielfachen Wunsch versucht, den lateinischen Text ins Portugiesische (d.h. in portugiesische Kirchensprache) zu übersetzen und in Reimform zu bringen und dann oft und oft vorgesungen, bis jeder einen Eindruck hatte, wie dieser Wechselgesang sich anhört. Wir sangen, bis sich unsere Freude übertragen hat und der Funke übersprang. Und dann haben wir den Quempas gesungen, also toll, wie das klang!, dass die alten Heiligenfiguren fast von den vergoldeten Sockeln fielen, jede Stimme – Sopran, Alt, Tenor, Bass – sang in einer anderen Ecke der Kirche, das hat uns "konzertanten" Spaß gemacht, besonders dem Chorleiter, der in der Mitte herumhüpfte und die Einsätze gab. Er ließ es mindestens achtmal erschallen…. Nachts um 11 Uhr… In der dunklen kalten Kirche. "Den die Hirten lobeten sehre und die Engel noch viel mehre…"

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