Zuversichtlich

Verfasst am: 19. November 2008 von Barbara 1 Kommentar

Zuversichtlich

Neulich habe ich eine Kleiderbürste gekauft, die in Spanien hergestellt wurde. Auf der Verpackung steht in Spanisch, Englisch, Portugiesisch, Französisch und Deutsch, welche großartigen Eigenschaften dieser wunderbare Haushaltsgegenstand besitzt.  Ich lese da:

Reinigt schnell und zuversichtlich!

Was für ein hübscher Übersetzungsfehler.
Passt genau.
Typisch spanisch und noch typischer portugiesisch!

Dieser kleine Vokabelfehlgriff charakterisiert das ganze Volk der Portugiesen und ist geradezu stellvertretend für das Leben und den Umgang mit den Menschen dieser Nation zu verstehen. Denn alle sind durchaus zuversichtlich, aber selten zuverlässig. Unsere Erfahrungen mit Handwerkern, Besuchern, Chorleitern, Theaterbesuchen, mit allen möglichen Daten und Terminen und Verabredungen haben uns schon lange gelehrt: Zuverlässig ist hier eigentlich nie jemand, wirklich niemand, nicht einmal der Herr Pfarrer zum Gottesdienstbeginn, aber man kann keinem wirklich böse sein, denn bei allen Absprachen sind die  Leute immer fröhlich, positiv und optimistisch – eben zuversichtlich. "Ich komme bestimmt!", sagen sie. Aber wann? Amanha. A tarde. Also, jedenfalls ganz bestimmt.

Erstaunlich ist auch, dass  man ausgerechnet für den deutschen Endverbraucher die spanischen Wörter "rápido y práctico"  - portugiesisch "rápido e prático"  - so kunstvoll umschrieben und mit Sprachgefühl wiedergibt. Warum reinigt die Bürste nicht auch deutsche Kleidung "schnell und praktisch"? Versteht doch jeder. Nee, auf Deutsch muss ein besonderes Wort herhalten.

Und so greife ich mit Zuversicht zur neuen Bürste und entferne alle Fusseln und Haare und Krümel schnell und flink und voller Hoffnung auf dauerhaften oder zumindest sichtbaren Erfolg. Auf die großsprecherische Zusicherung in der Beschreibung, dass die Kleidung bei den Reinigungsbemühungen "immer wie neu" bleibt, verlasse ich mich lieber nicht, denn da wird doch immer so viel versprochen, was keine Bürste hält. Insofern ist das gewählte Wort "zuversichtlich" eigentlich viel passender und hat eine hundertprozentige Trefferquote. Man kann sich überhaupt nicht beschweren, wenn am Ende alle Flusen und Schuppen auf dem Jackett liegen bleiben, denn keiner hat uns versichert, dass diese Dinge wirklich entfernt werden. Uns wird ja nur garantiert, dass  
man voller Zuversicht ist, was diese Bürste betrifft.

Dann ist das am Ende womöglich gar kein Fehler?
Dann ist das Absicht?
Tiefenpsychologisch begründet?
Vielleicht hat man diese kleine abschwächende Beschreibung in der der Garantie (zuversichtlich statt zuverlässig) extra für die kritischen Deutschen eingesetzt, damit keine Reklamationen kommen? Diese Meckerfritzen gehen doch gleich vors Gericht und wollen ihr Geld zurück, wenn in der Packung nicht drin war, was drauf steht.

Ehrfürchtig halte ich meine Bürste in der Hand, fühle mich in meiner deutschen Mentalität verstanden und respektiert und entdecke kaum noch einen Fussel an der weißen Weste aller Bürstenhersteller, Werbestrategen und Übersetzer.

Schnell und zuversichtlich –
Welche zuversichtliche Zukunftsprognose hinsichtlich der multikulturellen Sprachentwicklung  Europas!

Eine Antwort

  1. jane schreibt:

    Ich finde die Übersetzung des Wortes "praktisch" als "zuversichtlich" sehr gelungen. Ein praktischer Arzt ist ja auch weit mehr zuversichtlich als praktisch in der Behandlung seines Patienten.
    Praktische Arbeit geschieht immer in der Zuversicht auf Erfolg.
    Praktische Ratschläge sind eigentlich nur zuversichtlich und möchten gerne befolgt werden.

    Ich kann mir als Übersetzerin praktisch nix Besseres vorstellen.

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