Wegweiser

Verfasst am: 23. September 2008 von Barbara Keine Kommentare

Wegweiser

Was nützt einem das tollste moderne Navigatorsystem, wenn man die Adresse nicht eingeben kann, weil es den Ort nicht gibt und damit auch keine Straße. Dabei liegt das nicht einmal an den falschen Auskünften, sondern an der deutschen Logik, die eine andere ist als die portugiesische.

Also, wir wollten jemand besuchen, der in den Bergen wohnt. Er erklärte uns: "Passt auf, ich wohne in Vale de Lobo, im Wolfstal, das ist in den Bergen, da gibt es auch ein Dorf, das denselben Namen hat wie euer Dorf."
"Na gut, das finden wir, und wie heißt dein Dorf?"
"Nun, ihr müsst nur fragen nach Vale de Lobo."
"Na, und die Straße, wie heißt die Straße, wo du wohnst?"
"Die Straße hat keinen Namen. Fragt nach dem Marktplatz, da kennt mich jeder."
"Wie, einfach Marktplatz?"
"Ja, fragt nach dem Marktplatz an der Hauptstraße, da an der Ecke ist noch die große Bank Santander, daran könnt ihr euch orientieren und fragt nach der Bar."
"Wie heißt die Bar?"
"Die heißt nicht weiter, … die heißt einfach Bar."

Na gut, wir hatten ja den tollen modernen Navigator mit der schnarrenden Männerstimme, den wir als Zugabe beim Erwerb von zwei Paketen Kaffee bekamen und der uns sicher auf der letzten weiten Reise begleitet hatte, wo wir allerdings schon seit Jahren fahren und jeden Stein und jeden Baum kennen.

Wir kamen auch fast pünktlich und sicher "in den Bergen" an, obwohl der Navi uns ein paar Mal an den beliebten allgegenwärtigen Kreiseln irregeführt hatte durch seinen Hinweis: "Nehmen Sie die 3. Ausfahrt und nehmen Sie die 3. Ausfahrt!" Aber da waren nur 2 Ausfahrten und wir würden heute noch der 3. suchen, wenn wir nicht kurzerhand abgebogen wären. Allerdings mussten wir nach 5 km wieder umkehren, doch die Landschaft war bezaubernd schön.

"Schon wieder verfranst! Mann, wo führt der uns denn hin? Nee, dem Navigator können wir nicht folgen, der kennt sich hier nicht aus, vielleicht bekommt er in diesen wilden Tälern und Schluchten und Wäldern auch völlig falsche Impulse." (Traue nie einem Navigator, wenn du den Weg nicht weißt.)

"Erinnerst du dich noch an den Tag, als du mich aus dem Krankenhaus abholtest, halbtot und apathisch saß ich hinten im Auto und interessierte mich für nichts, während die hilfreiche Nachbarin und Beifahrerin dirigierte: So und so müsstest du jetzt fahren und rechts abbiegen statt links und nun geradeaus, bis wir uns total verfahren hatten. Aber das hatte ich kommen sehen und sagte still und leidend aus meiner Ecke: Du musst nicht auf jeden Blödmann hören…! (Ich sagte es noch drastischer, und wir waren alle überrascht, dass noch Leben in mir war. Sie hat mir das mit dem A-Blödmann auch nie übel genommen, sie hat herzlich gelacht und sich gefreut, dass ich wieder für irgend etwas Interesse zeigte, dass ich sprach und eine Meinung hatte.)
Das fiel mir so ein, als wir beschlossen, dem Blödmann und Armleuchter von Navigator einfach nicht mehr zu folgen.

Endlich sagte dieser, wir seien am Zielort angekommen.

"So, jetzt müssen wir den Marktplatz suchen und nach der Bank Ausschau halten."

Also, Bänke gab es genug.
Aber keine Santander-Bank.

"Wo ist der Marktplatz?", fragten wir aus dem Autofenster.
Die Leute guckten uns verdutzt an und dann auf das deutsche Nummernschild (Ach ja, estrangeiros, naja, kein Wunder…): "Der Marktplatz? Aber Sie stehen direkt auf dem Marktplatz. Das ist hier."
"Und die Bar?"
"Hä? Eine Bar ist da oben."
Also fuhren wir nach da oben, umkurvten noch einmal die ganze Anlage, kamen aus dem Dorf wieder auf die Landstraße, wendeten und kehrten noch einmal zurück und hielten bei zwei alten Dorfbewohnern an, die dort gewichtig diskutierend an der Straße standen.

Was nun folgte, war ein grandioses Kabarettstückchen, dass ich gerne einmal aufführen würde, wenn ich wüsste, ich könnte es so wiedergeben in dieser rührenden Einfalt und von Herzen kommenden Hilfsbereitschaft und überquellenden Höflichkeit und mit dem kindlichen Eifer und dem überzeugenden Selbstbewusstsein und portugiesischen Stolz. Die beiden Alten, die uns kaum verstanden und die überhaupt nichts, also, rein gar nichts begriffen und wussten, überboten sich in Erklärungen, schnitten sich ständig das Wort ab, rissen einander die Worte aus dem Munde und wiederholten gestenreich vielmals ihre Worte: "Con licenca, ich werde es dem Herrn mal erklären, ich erkläre es noch einmal genau, nein, ich kann es dem Senhor richtig erklären, also, jetzt noch einmal gesagt…"
"Wo ist denn hier die Bar?"
"Die Bar, ja, unser Ort hat viele Bars, sehr gute Bars, es gibt mehrere Bars…"
"Die Bar am Marktplatz….?", fragten wir.
"Nun ja, wir stehen hier vor einer Bar."
(Ach ja, man roch es. Ihr Atem war … )
"Und wo ist die Bank Santander?"
Sie hörten nur BANK und erklärten begeistert – endlich etwas, was sie wussten -  und gestikulierten und nannten die Öffnungszeiten der Bank hier oben, gleich an der Ecke, sehen Sie…
"Ja, wir sehen, das ist die Caixa Geral, aber wir suchen eine Santander-Bank."
"Nein, eine Santander- Bank gibt es bei uns nicht, wir haben die Caixa Geral, aber wir sind sehr zufrieden damit. Wenn der Senhor aus Deutschland unbedingt eine Santander-Bank sucht, dann müssen Sie in den nächsten Ort fahren. Ich erkläre Ihnen jetzt noch einmal den Weg zum nächsten Ort. Also, links, rechts, geradeaus und folgen Sie dem Hinweisschild WOLFSTAL 3 km."
Fünfmal folgte noch die Wegerklärung nach Wolfstal. "Immer nach dem Ortsschild gucken. Der Ort heißt Wolfstal. Sie fahren rechts, dann links…"

Da sahen wir denn ein, dass Wolfstal nicht eine Distrikt- und Landschaftsbezeichnung in den Bergen Portugals, sondern ein Ortsname ist, verziehen unserem unschuldigen Armleuchter von Navi, dankten vielmals und fuhren frohgemut weiter.

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