Was Portugiesen schön finden

Verfasst am: 18. September 2008 von Barbara 2 Kommentare

Was Portugiesen schön finden

Wenn ich es ganz kurz sagen müsste, dann möchte ich behaupten: Die Portugiesen finden alles das schön, was ich eigentlich gar nicht so schön finde, und sie finden das, was ich sehr schön finde, … naja, sie sagen natürlich nicht, dass sie es feio finden und nicht schätzen, denn sie sind höflich bis zur Unehrlichkeit, aber sie finden eben etwas anderes viel schöner. Jedenfalls die Portugiesen um mich herum, die hier, mit denen ich zusammen lebe und die ich gerne mag. Mögen ja die jungen portugiesischen Leute in den Städten ganz anders denken, aber die Portugiesen, mit denen ich hier seit 20 Jahren zusammen lebe, die finden
zum Beispiel unser altes Haus nicht schön, unseren Baumgarten nicht und unsere Vorliebe für alte (meistens wild wachsende oder aussterbende) Blumensorten wie Geranien, Fuchsien, Margariten und Wildgladiolen und wilde Orchideen und japanische Anemone (die wird als Unkraut ausgerissen, alle werden ausgerissen und mit der chemischen Keule totgeschlagen), unsere Begeisterung für Hunde, für sehr große Hunde und selbstbewusste Katzen und alle möglichen Tiere, besonders Piepvögel. Sie finden unsere Bewunderung alter Bäume, die nicht mehr Früchte tragen, sondern nur noch imponierend und geschichtsträchtig da stehen, genau so abartig wie die Begeisterung für die dunkelblaue Prachtwinde, für weiß blühenden Kohl und bemooste Dächer, für "altes Gelärsch" und die Stille, besonders die beim Essen ohne lauten Fernseher.

Also, Portugiesen finden das Fernsehen herrlich, sie finden neue moderne Häuser toll, sie finden künstlichen Rasen schön, prächtige Blumen – derzeit stehen Proteen hoch im Kurs, seltene und kostspielige Orchideen an 2. Stelle und Dahlien am hinterletzten Platz – , teures Geschirr von Vista Alegre, sogar Fast Food bei Mackedonalde, kurze Röckchen und hübsche Blüschen und hohe Stöckelschuhe und knackige Jeans und edle Anzüge mit schicken Oberhemden und einer goldenen Halskette, es dürfen auch drei oder noch mehr Goldketten sein, sodass manche Senhora aussieht wie eine prämierte Olympiasiegerin. Überhaupt finden sie ein bisschen Aufmachung und Makeup (goldenen Lidschatten auch tagsüber, was mich sehr beeindruckte) schöner als schlichte Natürlichkeit.
Das Schönheitsideal schlechthin war für Portugiesen vor Jahren Claudia Schiffer. Das hat sich wohl kaum verändert, das Model allerdings schon ein wenig. Ja, Claudia Schiffer, Bier und BMW, das waren die drei deutschen Favoriten, die die Portugiesen bei einer Umfrage nach den Vorzügen Deutschlands nannten. Ja, tolle Autos mögen sie! Aber das ist wohl ein internationales Machofaible. "Hubraum ist wichtiger als Wohnraum", sagte da einer, und "Wir Männer investieren, wenn wir älter werden, in schnelle Autos, die Frauen hingegen in Kräutertees und Medikamente." Fand ich ja gemein. Hab mir das aber trotzdem gemerkt und spare jetzt für ein Auto, bzw. die teure Reparatur des Vaneo meines Mannes. Den Tee schenkt mir außerdem meine Hannah.

Jedenfalls vertue ich mich immer noch mit der Auswahl eines Geburtstagsgeschenks für meine Nachbarn hier im Dorf. Die meisten von mir liebevoll ausgesuchten Geschenke tauchen bei ihnen nie wieder auf, während ich ihre Geschenke: die bunten Tellerchen und zierlichen Tässchen und Kerzenhalter und Bilder und Dekogegenstände hübsch in die Vitrine und auf die Anrichte stelle, um weiter über diese Unterschiede des Geschmacks nachzudenken.

Manches würde ich ja als Kitsch bezeichnen, aber das Wort ist als Fremdwort aus dem Deutschen übernommen und steht für etwas ganz Anderes als das, was ich kitschig finde. Zum Beispiel die üppig bemalte, vergoldete Suppenterrine mit dem Deckel, auf dem sich Rosen und Blätter und Schmetterlinge ranken und tummeln. Die träumt auf dem Fernseher in der Anbauküche der Nachbarin voll Staub und völlig unnütz vor sich hin und ist echt sowas von kitschig…
Aber Maria findet sie schön.
Und das finde ich schön von ihr.

2 Antworten

  1. U. schreibt:

    Ullalalala, da wurde aber schnell in die Tasten gekloppt ! 15:10 Uhr, 15:21 Uhr, 15:37 Uhr – das geht ja schneller als Telefonieren. Eine wahrlich enorme Lebensleistung !

  2. Volkmar schreibt:

    Lebensleistung?
    Man kann doch auf Vorrat schreiben, z. B. unterwegs mit einem laptop, und dann etwa alle 10 Minuten die Sachen ins Internet stellen, wenn man darüber verfügt (und es funktioniert!).

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