Dorfgeschichten

Verfasst am: 14. Februar 2008 von Barbara Keine Kommentare

Mail am 14. Februar 2008

" Wenn der Mensch die Erde verlässt, wird der Dorfklatsch wichtiger denn je."

Zitat aus walter jens, deutsche literatur der gegenwart

Dass ich auf diese meine Dorfmails bestätigenden Worte gestoßen bin, liegt nicht nur daran, dass gerade der deutsche Astronaut Schlegel im All schwebt, sondern an dem kleinen Unfall, bei dem sich Hagen den kleinen Finger verletzte, so dass er nicht mehr im Garten arbeiten kann. Also wandte er sich der Literatur zu. Er zog ein Buch nach dem anderen aus unserem Regal und entdeckte die kostbarsten Schätze. Nun also Walter Jens, der lobend auf eine Dichtung und Poesie des "Positiven" und Einfachen, Alltäglichen – und ich setze für mich hinzu: des Dorfes, meines kleinen portugiesischen Dorfes – hinweist:

"Einen Krebs kann schließlich jeder beschreiben – erst beim Schnupfen zeigt sich der Meister; die Simplizität allein zwingt das Genie in die Schranken!" Der Schlichtheit des Stoffes angepasst müsste dann auch die Sprache des Autos sein.

Hört sich gut an.

Ich lehne mich zurück und fühle mich zutiefst verstanden.

Ein gutes Gefühl.

Und auch das Dorf erscheint mir wieder wertvoller, als habe einer mit heißem Atem eine zugefrorene Fensterscheibe angehaucht und einen Durchblick geschaffen.

Einfache Szenen, in denen sich die ganze Welt wieder findet und beispielhaft widerspiegelt.

Einfache Sprache, jedoch mit elementarer Gewalt.

Aber irgendwie findet diese einfache Sprache ohne Fremdwörter nie so richtige Anerkennung. Und die Beschreibung des dörflichen Milieus und der einfachen Leute findet wenig Bewunderung: Man beschreibt heute lieber "vokabelreich und peinlich-penibel" den coitus, sagt Jens.
Dennoch:
"Die Welt ist überall in Bewegung; da brauchen wir viel Halt. In einem Augenblick, wo man von unbegrenzten Möglichkeiten spricht, heißt "Begrenzung" das erste Gebot: stilisiere was dir bekannt ist, erhebe das Private zum Gleichnis; wähle ein winziges Feld und zeige: so ist es bestellt. Bedenke, dass dein Taschenspiegel, als ein brennender Kristall, viel heller leuchtet als die blinde Scheibe eines Riesenteleskops." (Jens, S.118)
Er zitiert auch Hofmannsthals Ratschlag:
"Schildern willst du den Mord?
So zeig mir den Hund auf dem Hofe:
Zeig mir im Aug von dem Hund
gleichfalls den Schatten der Tat."

Da beschleicht mich allerdings tiefe Traurigkeit und das elende Gefühl der Verlassenheit, denn der schöne Hund, der eine Woche treu an unserem Gartentor gelegen hat und uns seine Freundschaft anbot, ist auf und davon gegangen.

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