Wie Portugiesen sprechen

Verfasst am: 29. November 2006 von Barbara Keine Kommentare

Unsere Begrüßungs- und Willkommensuppe nahmen wir nach alter Tradition bei den Nachbarn ein, eine sämige Bohnen-, Kohl-, Kartoffel- und Nudelsuppe mit Broa und Rotwein am qualmenden Kamin und bei dröhnenden Fernsehnachrichten.
Wie hatte ich das vermisst!
Nicht nur das Essen bzw. Schlürfen der Suppe, den Geruch (weniger die Wärme, denn so ein sparsames glimmendes Scheit wärmt nicht besonders) des Feuers, den Wein und die Gemeinschaft, sondern vor allem die Unterhaltung mit den Nachbarn und noch mehr die aus dem Fernsehapparat.  Dort werden ja ständig die Anwohner oder Beteiligten bei Unfällen und Katastrophen groß ins Bild gerückt und nach ihren Kommentaren gefragt, und ich habe noch nie erlebt, dass sich einer ziert und stottert und stammelt. Nein, sie stehen da immer ganz selbstbewusst und reden und reden gestenreich, viel und schnell, ganz durchdrungen von ihrer Meinung und ihrem Sendungsauftrag ("Sendung" ist doppelt gut in dieser Situation.) Jeder Mann, jede alte Frau, jeder Dorfbewohner verkündet vor dem Mikrofon seine Geschichte, was er erlebt, beobachtet und gedacht, gesagt, gemacht hat. Und dann erst die Politiker und die wichtigen Leute aus den Ämtern und Ministerien. Wichtig sind sie alle und reden alle wie aus dem Buch.
Ja, und wie sie reden können!
Die meisten, die etwas zu sagen haben, reden sehr schnell und sehr leise und doch sehr beeindruckend, fast beschwörend. Ich habe das auch oft an unseren deutschen Freunden beobachtet, wenn sie auf Portugiesisch loslegten. Leise, zischelnd, geheimnisvoll, und das wirkt ungeheuer wichtig und vereinnahmend.
Reinhold Schneider schreibt darüber (S.80f. "Iberisches Erbe"):
"Das Portugiesische ist weich, unbestimmt, es ist so von Gefühl gesättigt, dass es fast seinen Rhythmus verliert; es ist die Sprache der Apostrophen, Verkürzungen und Verschmelzungen, des Vermischens und Hinüberfließens; zusammengezogen aus einem gleichsam unterirdischen Temperament, das ganze Silben des lateinischen Stammes unbedenklich überspringt und im Tone noch überhastet, was in der Schrift stehen blieb, eilt es doch nur, um zu vergehn und zu verströmen; es ist die Sprache der Lyriker; und jeder Portugiese ist lyrischer Dichter, der Minister, der Professor, der Fabrikdirektor, das ganze Volk arbeitet unausgesetzt daran, seine Sprache noch mehr den Empfindungen anzuschmiegen, noch mehr Melodie in ihr zu erwecken."
Und er vergleicht die Sprache, den Redefluss der Portugiesen mit dem Tejo, wie er ins offene Meer mündet und in der großen Einsamkeit und Unbegrenztheit der Meere verschwimmt "besonders bei einem zögernden Sonnenuntergang im Frühherbst".

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