Die Wehmut beim Abschied

Verfasst am: 2. Oktober 2006 von Barbara Keine Kommentare

Die leise Wehmut des Abschieds

Ich weiß gar nicht genau, wie alt der alte Manuel ist. Wahrscheinlich ist er gar nicht so uralt, wie er immer sagt. "Ich bin so müde, so erschöpft, so canzado", sagt er leise, "ich möchte am liebsten schlafen", sagt er, "am liebsten für immer." Und dann sagt er noch: "Unter der Erde." Er ist ein ganz frommer Mann und sehnt sich nach dem Himmel. Und nach Ruhe.
Weil ihm alles so weh tut. Die Knie, die Knochen, der Rücken, es ist das Rheuma, er kann nicht mehr auf dem Feld arbeiten, er möchte am liebsten ausruhen.
Jetzt ist er mit dem Fahrrad gekommen und steht mit einem Päckchen bescheiden vor der Hoftür.
"Komm doch rein", sagt Hagen, "Komm rein, tritt näher."
"Ich habe euch etwas mitgebracht, das sollt ihr mit nach Deutschland nehmen, nur eine Kleinigkeit, es ist für Barbara, damit ihr wiederkommt", sagt er und wickelt eine wunderbar geformte Flasche aus, in die er seinen besten Tropfen abgefüllt hat. Den Tropfen kenne ich! Den haben wir mal getrunken, oder besser: verkostet, damals am Feuer, und sein Sohn hat auch seinen selbst angebauten Wein gebracht und wir mussten vergleichen, welcher der bessere ist – der vom Vater oder der vom Sohn.
"Hier, Paschtore, hier, probier mal – diesen und dann diesen, do Pai e do Filho…." und alle aus dem Kirchenchor ergänzten fröhlich "… e de Spirito Santo", und es war überhaupt nicht respektlos oder lästerlich, ganz im Gegenteil.
Der alte Senhor Manuel sagt: "Und kommt bald wieder. Lasst uns nicht so lange warten. Ihr kommt doch bald zurück, ja?"
Wir sind sehr gerührt und haben jetzt schon Heimweh. Warum fahren wir eigentlich weg? Weiß einer, warum wir hier überhaupt wegfahren?

Gestern war die Tia Rosa gekommen und hat nach meinem Rezept für Quittenmus gefragt. "Bevor ihr losfahrt…" Sie möchte wissen, wie ich die Quittenmarmelada mache, das sei ein besseres Rezept als das, nach dem sie immer die Marmelada gemacht hat, ihr ganzes Leben lang hat sie da gestanden und die traditionelle Marmelada auf die alte Weise gerührt, 4 Stunden lang, ich soll ihr nun mal verraten, wie ich das mache, das will sie jetzt auch so machen.
Ich bin über diesen Vertrauensbeweis so gerührt wie meine Quittenmarmelada, allerdings ist die nicht 4 Stunden auf dem Feuer gerührt worden, so viel Zeit hat doch heute kein Mensch mehr, und faule Leute haben immer tolle Erfindungen gemacht, wie sie sich Zeit und Mühe und Arbeit sparen können. Unter diesen Voraussetzungen habe ich auch das Rezept für meine köstliche Marmelada entwickelt. Und das will die alte portugiesische Bauersfrau Rosa nun übernehmen und lässt sich alles erklären und beantworten und beschreibt mir den großen Topf, den sie nehmen wird, und dass ihr Mann schon schnuppert, weil es so gut nach marmelos duftet, und wieviel Zucker und mit der Schale, das ist wichtig! Und nur 15 Minuten kochen lassen.

Sie geht dankbar und tatendurstig davon, und ich…
Ich möchte überhaupt nicht von hier fort.
Ach, Mensch, tut dieses Heimweh weh.

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