Dona Dina liebt Deutschland

Verfasst am: 22. September 2006 von Barbara Keine Kommentare

Dona Dina liebt Deutschland

Eigentlich wollte ich bei unserem Abschiedsbesuch mit meinem gewinnenden Charme und meiner bezaubernden Ausstrahlung und Liebenswürdigkeit einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen, so dass sich die portugiesischen Leute auf das nächste Wiedersehen freuen, aber diese portugiesischen Leute blieben trotz aller meiner Anstrengungen und Bemühungen cool und reserviert und zeigten keine Regung in ihrem freundlichen portugiesischen Pokerface, und so kroch die Traurigkeit in alle Winkel meiner jetzt schon angeschlagenen Emigrantenseele und breitete sich da als saudade aus. In dieser Verfassung begegnete mir Dona Dina, eine frische lachende Frau, die erst munter portugiesisch, dann aber noch munterer deutsch sprach.
Seltsam, ich wollte doch nach diesem vergeblichen und erfolglosen Be- und Versuch nun gar keinen Menschen mehr für mich einnehmen, und plötzlich geschah es ganz von alleine, unbeabsichtigt und mit fliegenden Fahnen. Nicht meinetwegen, sondern weil Deutschland so schön ist, weil die Deutschen so nett sind, weil die Deutschen die besten Menschen auf der weiten Welt sind, tolle Freunde, die Freud und Leid und alles, was sie besitzen, mit einem Fremden teilen, weil das Leben dort wunderbar ist und weil Dona Dina in Deutschland so glücklich war.
"Ich werde es Ihnen erzählen", sagte sie mit strahlendem Lachen. "Es ist ein Lied."
Die Geschichte ihres Lebens hat Dona Dina in einem portugiesischen Lied zusammengefasst.
"Verstehen Sie Portugiesisch?"
"Na, klar, jedes Wort", sagte ich, "ich verstehe alles, wenn ich will."
Schon zitierte sie lebhaft die ersten Strofen ihres Gedichtes, brach dann aber ab und sagte, sie habe es schon fast vergessen, ihr falle jetzt nicht mehr ein, wie es weitergehe, ihr falle einfach die portugiesische Sprache nicht mehr ein.
"Es geht nach einer bekannten Melodie zu singen." Sie begann zu singen,  und ich summte die 2 Stimme dazu. Es ist der Schlager "Musst du jetzt grade gehen, Lucile?"
Dona Dina sang ihr portugiesisches Liebeslied für Deutschland:

"Ich war noch ein Kind,
da kam ich nach Deutschland,
und ich kannte kein einziges Wort
und besaß nur ein Kleid und armselige Schuhe,
meine Eltern mussten doch fort,
und da stand ich verlassen
und allein an der Treppe
und ich wusste nicht ein und nicht aus.
Doch da kamen die Kinder
vom Nachbarn gelaufen
und sie sagten: "Spiel mit uns vorm Haus!
Ich heiße Cornelia und du?
Und sie heißt Bettina, Martina und Sandra,
sag nun deinen Namen auch du."

In der 2. Strofe heißt es: Die Mädchen schenkten ihr Spielzeug und nahmen sie mit in ihre Familien, und als die kleine Dina dann zu ihren Eltern heimkam, sagte sie: "Seht mal, ich habe Puppen geschenkt bekommen und deutsche Wörter:"

Diese deutschen Nachbarinnen, ach, die Menschen alle in Deutschland sind heute noch ihre Freunde, sie besuchen sich gegenseitig, auch die Lehrerin war damals so lieb und hilfreich zu ihr, es ging ihnen so gut, so viele Jahre war sie in Deutschland, das war ein so glückliches Leben… Dona Dina redete und redete nur noch in deutscher Sprache. Und dass sie das deutsche Essen so liebt.
"Wirklich?" staunte ich. "Etwa Sauerkraut und Kasseler? Etwa Kartoffelsalat und WÜRSTCHEN?"
Sie nickte begeistert: "Jaja, genau diese Herrlichkeiten! Wir machen immer Nudelsalat und backen Waffeln und Pflaumenkuchen und Streuselkuchen. Und wir träumen von Schwarzbrot und Leberwurst."

Ich erzähle ihr in Kurzfassung meine Geschichte, sie ist eigentlich genau dieselbe, allerdings als Gegenstück und auf Portugiesisch umgekrempelt. Was Dona Dina über Deutschland sagte, bestätigte ich ihr für Portugal. Und wir mussten zweimal mit abracos und beijinhos Abschied nehmen und finden kein Ende und müssen so viele Grüße und gute Wünsche mit nach Deutschland nehmen, dass wir bestimmt einen Möbelwagen brauchen.  Ein Umzugswagen, ja, das wäre nicht schlecht. Den könnten wir dann bei der Heimreise mit Sauerkraut und Pflaumenkuchen voll packen.

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