Das Fest ist vorbei

Verfasst am: 25. August 2006 von Barbara Keine Kommentare

Am Tag nach dem Fest oder The day after

Seit heute Nacht irgendwann um 2 Uhr ist das Fest vorbei, die Grandiosa Festa zu Ehren "Unserer lieben Frau von der Gesundheit". Irgendwann hörte die Musik auf und man fiel in tiefen ruhigen Schlaf. Das letzte Bier getrunken, die letzten Worte gesagt, die letzten Visitenkarten und Adressen ausgetauscht, zum letzten Mal die Handynummern diktiert. Packt ein, wir gehen.

Nun steppt hier der Bär nicht mehr. Er ist schlafen gegangen. Das grandiose Fest tobt nicht mehr. Das Nachtleben von Carregosa blühte kurz auf und verblühte sehr schnell. Der Wind trägt die Musik wer weiß wohin, vielleicht über die Berge, vielleicht übers Meer, vielleicht nach Spanien, dann kommen sie dort in Fetzen an. Auf unserem Hof raschelt nur noch der Wind in den dürren Weinblättern und den abgefallenen Bougainvilleablüten.
Am schönsten sind immer die Vorbereitungen für das Fest. Und noch schöner ist der Morgen nach dem Fest. Er ist so blank, so frisch , so still. Er ist so ausgeschlafen.

Zum Auftakt tanzte am Samstagabend die Folkloregruppe von Salgueiro, aber da waren wenig Zuschauer, da kam wenig Begeisterung auf, die Gruppe tanzte auch schlecht, es fehlten wohl mehrere Tänzer. Einer der jungen Männer brach mitten im Drehen seinen Tanz mit der Landjungfrau ab und schüttelte den Kopf, ihm passte das alles nicht, ihm passte die Tänzerin nicht und nicht die Schrittfolge,  und sein Missmut verbreitete sich schnell. Die Sängerinnen kreischten furchtbar. Sie hörten nach 6 oder 8 Liedern auf und verließen ungeordnet und lustlos die Bühne. Endlich hat Hagen eingesehen, dass Folklore und Volkstheater in unserem Dorf nicht erwünscht sind. Passt nicht, passt einfach nicht.

Besser passt die Musik der Band MEGA, zu der Hannah am Mittwoch eilte. Atemlos kam sie zurück und sagte: "Los, komm mit, so viele Menschen, alle tanzen, immer nur Einheitsschritt, komm, probier mal, ja, immer so, so tanzen sie, mit durchgedrückten Knien, los, komm mit, es ist supi."

Aber am Samstag war es doch noch recht fade. Man hat ein Bier an der "Barre" getrunken und dann noch in die Kirche geschaut, wo für Tausende von Euros die Statuen geschmückt wurden, "ach, was e Pracht unn so kostbar!" – mit Anthurien und "mil" weißen, roten, zartrosa Rosen und Taft- und Seidenbändern und Protaeen und Ährenbündeln, unglaubliche Fülle und Schönheit und so aufwändig.

Am Sonntag dann das traditionelle Festessen bei den Nachbarn:
Canja, carneiro und leitao – die drei Säulen des üppigsten Menüs, das du dir nicht auszudenken vermagst, und mit vielen Gästen. Herrlich und köstlich und unvergleichlich. Nach 4 Stunden am Tische geht man zur Messe und läuft mit der Prozession durchs Dorf, bergauf und bergab. Hinter den Heiligen her, die unter wippendem Blumenschmuck so traurig und segnend auf die Zuschauer herabsehen. Und die Knaben, die du noch vor kurzer Zeit in der Grundschule sitzen sahst, die lieben Kleinen, sind inzwischen Jünglinge geworden mit gestylten Haaren, mit weißen knapp sitzenden Hosen, mit viel zu großen Nasen und guten Muskeln. Sie tragen den Heiligen Antonius, den Heiligen Sebastian und den lieben Herrn Jesus mit dem blutenden Herzen, und die jungen Frauen tragen die Senhora von Fatima, aber die Nossa Senhora da Saúde wird vom Kirchenvorstand getragen, von Dorindo und seinen Mannen persönlich.  Und hinterher tippeln die süßen verkleideten Kinder als Hirtenkinder von Fatima, als die 3 Marien aus der Via sacra, als Sebastian, Antonio, Maria und Josef und die vielen Senhoras. Die meisten Kindlein haben schon als Säuglinge beim Weihnachtsspiel in der Krippe gelegen, seht nur, der Lukas, der war doch mal der Deus Menino!

Seitdem duftet es nach Kräutern, die für die Prozession auf die Straße gestreut wurden. Es duftet nach Fenchel, Pfefferminz, Melisse, Manjerico, Zitronenstrauch, Binsengras. Dazwischen liegen Rosenblätter und Lilienblüten. Und die beiden Kapellen walzen melancholischen Schrittes drüber hin. Sie walzen am Sonntag und sie walzen am Montag. Diese unendlich traurige Musik, die dir das Herz zerreißt vor Liebe und Fernweh.

Abends um 23 Uhr beginnt mit großem Krach und Wufftata die Musik. Die "Herz-Lungen-Maschinen", die die ganze Nacht ihren Rhythmus hämmern. Diesmal hörte man jedes Wort hier auf dem fernen Hof. Der Wind muss so günstig geweht haben.

Und nun ist alles vorbei, verweht, vergessen. Und die Mülltonnen quillen über.

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