Kabarett POINKA

Verfasst am: 19. August 2006 von Barbara 3 Kommentare

Neulich hörte ich mir selbst bei der Unterhaltung mit portugiesischen Bekannten zu. Ich erklärte gerade mal wieder den Unterschied zwischen Christentum und Islam, wie ich auch schon versucht hatte, den Unterschied zwischen Katholizismus und Protestantismus zu erklären. Auf dem Gebiet kenne ich mich wenigstens ein bisschen aus und benutze die hilfreichen lateinischen oder griechischen Fachausdrücke, die dann portugiesiert ganz brauchbar klingen. Aber die großen Augen der Zuhörer und die fehlende Reaktion, sowie der mangelnde Widerspruch deuteten doch an, dass wohl niemand so recht verstand, was ich da alles erzählte. naja. Merkwürdig war nur, dass niemand lachte oder eine falsche Vokabel reklamierte oder korrigierend eingriff. Es gibt ja Leute, die springen einem mit dem fehlenden Wort in die Seite oder bringen den Satz mit dem passenden konjugierten Verb zu Ende.
Nicht so bei mir. Nicht so bei meinen portugiesischen Zuhörern. .Sie saßen da und lauschten und fügten die Puzzlestücke zusammen. Was für ein Bild enstand da in den Köpfen?  

Aber dann wurden die Erklärungen immer komplizierter, mir gebrach es immer mehr an portugiesischen Vokabeln, und plötzlich waren wir in einer politischen Diskussion, die dann zum Glück Hagen übernahm.
Ich wurde zur selbst zur amüsierten Zuhörerin, die die portugiesischen Sätze weniger verstand als den deutschen Sinn und die deutschen Strukturen darin. Ich übersetzte das, was mein Mann ins Portugiesische übersetzte, also eigentlich wieder zurück ins Deutsche und wusste natürlich, was er da ausdrücken wollte. Aber die Portugiesen vor ihm? Sie lauschten ehrfürchtig, nickten mit dem Kopf, sagten "Si, Senhor" oder "Pois" oder "Então", aber ich sah in den Augen nur diese Verständnislosigkeit und Leere. Dem Gesichtsausdruck nach hieß das: "Ich höre mir das noch höflicherweise an, aber dann muss ich nach Hause und etwas Wichtigeres tun. Pois." Und niemand lachte.
Was für ein hochintellektueller, unverständlicher und wunderschön portugiesisch klingender Wortsalat, dachte ich. Und mir fiel mein alter Plan wieder ein, ein Kabarettstückchen zu verfassen oder auf einer Studentenbühne zu stehen, wo ich in diesem irrsinnig witzigen falschen und melodiösen Portugiesisch irgendwelche irrsinnig wichtigen Sachverhalte auseinander klamüsere, die überhaupt keiner versteht. Radebrechend mit vielen sch-sch und -ãos und –inhos am Ende. Radebrech, Brechreiz, Radebruch, Radbruch, Achsenbruch, Bruchstücke, Max-Bruch-Konzert, Brechts Kleinbürgerhochzeit: "Alles selbstgemacht", aber ganz hoch oben.

Ich habe das einmal vor Jahren im TV gesehen von einem jungen Deutschen, der Kabarett in Polen macht, ohne Polnisch zu können, er steht auf der Bühne und spricht rasant und gestenreich Polnisch mit hinreißender Mimik, er spricht tolle polnische Texte, es ist allerdings kein echtes polnisches Wort dabei, es ist nur Wortgeklingel und ponlnische Musik, aber es fließt und strömt dahin und die Worte kollern und rollen wie Kiesel in einem munteren Bach. Die Zuhörer biegen sich vor Lachen, es ist sowas von köstlich.

So ungefähr muss sich das anhören, wenn ich hier Portugiesisch parliere.

Nur lacht keiner darüber. Aus Höflichkeit oder Nichtverstehen? Ich werde es nie erfahren. Ist ja auch keine Studentenbühne und kein abgedrehtes Publikum. Die Menschen hier im Dorf als meine Zuhörerschaft sind viel zu redlich, um sich auf solchem schmalen Grat zu meinen Ungunsten zu belustigen.

Aber vielleicht finde ich einmal jemand, der sich darüber schief lacht, wenn ich so herrlich bewusst falsch "echt Portugiesisch"  spreche.  Es gäbe so viele Ansätze, es gäbe so viele Themen. Es wäre so ein irres Vergnügen:
Gestern wollte ich doch noch schnell Schaumfestiger holen, um meinen frisch gewaschenen Haaren Halt und Festigkeit zu verleihen, und sagte in meiner Begeisterung versehentlich "Spumante" statt "Spuma", merkte es aber sofort und griff deshalb statt nach der Spraydose nach einer Flasche Sekt, und ich tat so (mit schelmischem Augenzwinkern! hhaha), als sei das alles beabsichtigt gewesen.

Wie super wäre es gewesen, wenn wir jetzt alle gelacht hätten, den Spumante entkorkt und uns ein Gläschen genehmigt, mir aber ein Glas auf den Kopf gegossen hätten zur Festigung der Lockenpracht. Aber das Publikum tat nichts dergleichen, keiner wollte den Sekt haben, sie guckten nur verwirrt und ratlos, und ich träume weiter von meinem verrückten Portugiesischen Intellektuellen-Kabarett. Po-in-ka. P-i-k.

3 Antworten

  1. H. schreibt:

    Noch besser wäre doch POINTE als Name.
    POINTE als Abkürzung für Portugiesisches Intelligenz Teatro oder Portugals Insider Teatro oder
    Poeta In Ternationale oder
    was weiß ich, ich armer Poet oder arme Poente.

  2. volkmar schreibt:

    Na ja, Du hast ja nur "erklärt", Du hast die Portugiesen ja nicht ausgeschimpft.

    Mir erzählte ein englisches Pfarrerehepaar mal, – beide sprachen ein wunderbares Oxford-Englisch -, dass ein Chinese nach einem Sprachkurs bei ihnen eine Predigt gehalten habe. Eine Bußpredigt. Mister Hung. Es sei nur ein Gebelle gewesen, sie hätten alle absolut nichts verstanden, seien aber mit den Köpfen runtergegangen und hätten den Fußboden angestarrt.

    Mister Hung hat das als Erfolg gewertet.
    Babylon ist überall.

  3. arabella schreibt:

    na das wäre doch ein großartiges Thema für deinen nächsten ALFA-Auftritt. Im Januar??? Bitte.
    hofft
    Arabella

Eine Antwort verfassen