Emigranten

Verfasst am: 16. August 2006 von Barbara Keine Kommentare

Im Ferienmonat August kommen die portugiesischen Auswanderer in die Heimat zurück und machen hier Urlaub, lassen ihre Häuser fertig bauen, fahren mit ihren Autos herum (und zwar noch feuriger und verkehrswidriger als die Einheimischen), sonnen sich am Strand und bevölkern die Supermärkte und Lokale.

Auch hier im Dorf sind zur Zeit viele Heimkehrer zu Besuch, die Türen und Fensterläden ihrer Häuser stehen offen, vor den sonst verlassenen Hoftoren parken Leihautos, im Café hängen die fremden Männer am Tresen, und man trifft hier und da sogar einen auf der Dorfstraße.

Die Nachbarinnen am Gartenzaun unterhalten sich über das Wetter, über das bevorstehende Fest und die Gäste.
"Meine Verwandten aus Brasilien sind zum Fest da", sagt die eine.
"Ja, deine Schwester haben wir schon gesehen, sie hat so freundlich gelacht. Geht es ihr gut?"
"Ja, die Brasileiros lachen viel, sie sind immer sehr fröhlich und lustig und gut gelaunt. Und sie mögen unser Dorf."

Auch die Emigranten aus Venezuela schneiden gut ab, sie bringen auch die Lebensfreude und Alegria mit, kommen sogar manchmal zur Messe und grüßen die Leute im Laden und auf der Straße.
Und die aus Deutschland sind oft im Café anzutreffen, die Männer sind ganz besonders spendabel und schmeißen mal eine Runde fürs ganze Lokal, ja, die Deutschen sind alle freundlich und trinken mit den andern ein Bier.
Aber die Emigranten aus Frankreich – nein, die mögen sie hier alle nicht, weil die überhaupt nicht grüßen, was sind denn das für Leute? "Wenn es ihnen hier nicht gefällt, warum kommen sie denn hier her? Zeigen uns die kalte Schulter. Sind wohl zu fein für unser Dorf, wo ihre Großeltern leben und die Eltern aufgewachsen sind. Ist doch ihre Heimat. Aber sie verachten uns, das merkt  man. Und keiner von ihnen kommt jemals zur Messe."
So reden die Nachbarinnen und sind gekränkt.
"Ach", sage ich, "natürlich ist das Dorf nicht zu vergleichen mit Paris, wo die meisten von ihnen herkommen,  Paris, Toulouse, Bordeaux und Lyon und alle die schönen französischen Städte. Das ist doch schon die dritte Generation, die ist in Frankreich groß geworden, deren Heimat ist Frankreich und nicht Portugal, die haben hier gar keine Wurzeln mehr, versteht  ihr?"
Aber die alten Frauen schütteln den Kopf. Sie wollen ja keinem etwas Schlechtes nachsagen und niemanden beleidigen, aber diese französischen Emigranten könnten doch mal grüßen und "Bongschur" sagen und ein bisschen lächeln, dann würde man sich hier viel wohler fühlen.

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