Stierkampf 2006

Verfasst am: 24. Juli 2006 von Barbara 5 Kommentare

Stierkampf 2006

Das Festkommittee von Vagos hatte in diesem Jahr die Torada nach Soza geholt, und da hatten sie recht dran getan, denn die Massen strömten. Wahnsinn. Als wir pünktlich ankamen, waren natürlich schon alle Parkplätze (naja, die Wegränder und Lücken zwischen den Bäumen und so) vergeben und alle Ränge überfüllt.
Irgendwie hat man ja bei dem Auftrieb schnell den Eindruck von Mob, Pöbel, Turba-Chören ("Gebt uns Barrabas frei!"), Gladiatorenkämpfen und Christenverfolgung in römischen Arenen. Wo das doch hier eine ganz friedliche Angelegenheit ist. Sein soll.

Rings um die Arena herrscht so etwas wie Zirkus-Atmosphäre. Es riecht nach Pferden und Farturas (Fettgebackenem), die Reiter laufen ihre Pferde warm, die Kinder laufen mit Autogrammkarten herum, die Schweißtropfen laufen, die Männer erholen sich bei einem Bier an den Plastiktischen. Tolle Stimmung. Alles drängelt zum Eingang "SOL", denn auf der "SOMBRE"-Seite sind die Karten 2,50 Euro teurer.

Wir saßen auch bei "SOL", aber es war angenehm und eigentlich keine stechende Sonne mehr da. Dann spielte die Kapelle die erste Melodie, so etwas Traurig-Getragenes, das aber doch die Stimmung anheizte, weil es eine typisch portugiesische Melodie für typisch portugiesisch gestimmte Menschen ist. Es war wahrscheinlich auch die einzige Melodie, die die Feuerwehr-BLasorchester-Leute für diesen Fall draufhatten, sie können ja nicht die Lieder von der Marien- und Heiligen-Prozession für solche weltlichen Anlässe nehmen. Alsdann erhob sich auf der Ehrentribüne ein Trompeter und blies einen Schlachtruf , der so ungefähr klang wie ein Halali zum Auftakt der Jagd. Wir dachten allerdings zuerst, das sei ein Fan oder Schlachtenbummler mit seiner Tröte, weil die Tonfolge so erbärmlich schräg klang. Sie blieb auch unverändert so schön schlecht, nachdem er sie zum 12. oder 15. Mal hatte erschallen lassen (es lag wohl eindeutig am Instrument!! – mal wieder) , also er blies wohl in sein Horn immer dann, wenn der Stier erledigt und die Bahn wieder frei war für einen neuen Kampf, für ein neues Pferd oder für einen neuen Stier – etwas, was sich sechsmal wiederholte.

Natürlich war jeder dieser sechs Kämpfe ganz anders, weil die Stiere völlig verschiedene Charaktere waren, der erste war sowas von müde und sanftmütig, das war "Stier Ferdinand" aus dem Kinderbuch, ja, der, der nicht in die Torada wollte, wo alle sich totmachen und wo es dann immer heißt: "Nicht so Ferdinand." , ja, und weil die wunderschönen, herrlich geschmückten Pferde wechselten, weil hinter dem edlen Reiter Marco  die schöne Senhora Ana kämpfte, der dann der dritte Stierkämpfer folgte, weil die Tücher schwenkenden Männer so verschiedenfarbige kostbare Anzüge trugen und die edlen Jünglinge und Stierbezwinger jedesmal andere waren.

Alle diese Männer mussten an uns vorbei defilieren oder standen gerade vor uns, wenn sie Rettung und Schutz suchten hinter der Einfassung. So konnte ich die Gesichter und Köpfe mit schwarzem welligen Haar, die Kostüme und die wundervolle Perlen- und Posamentenstickerei aus nächster Nähe bewundern und die seltsam geformten Hüte und die Stoffe der Jacken betrachten.

Leider defilierten auch die Besucher der Sonnenseite ständig an uns vorbei und holten Bier, belegte Brötchen ("Sandewitsches"), portugiesisch rot-grün-gelb gefärbtes Popcorn und allerhand Essbares herbei. Wie in der Werbung bei der WM-Übertragung: "Leihst du mir mal 5 oder 10 000 Euro?",- "Was?", – "15tausend." – "Klar, kein Problem. Aber du musst dafür Bier holen."  — Ich habe das bis heute nicht verstanden, was das sollte. Es fiel mir nur so ein, denn genau so war es hier.

Am schönsten war die Gratulationscour nach jedem Kampf, wenn die Besucher Blumen und Hüte und Mützen warfen. Das Volk braucht einfach jemand, den es bewundern und hochjubeln kann. Und so ein strahlender schöner Jüngling eignet sich doch bestens dafür. Er leistet ja auch mehr als ein Michael Jackson oder alle diese Jungs, es ist viel männlicher, wie er reitet, sich kerzengerade im Sattel hält, wendiger als der Stier ist, sein Ross beherrscht, dem Publikum zulächelt. Und er sieht einfach hinreißend aus in seinem barocken Theaterkostüm mit federbesetztem Dreispitz. Machos brauchen in ihrem Macholand einfach einen Super-Macho.

Überhaupt wirkt das ganze Spektakel wie aus einer längst vergangenen Zeit. Junge schöne Menschen, reiche Kostüme, tänzelnde Pferde, vergessene und verwehte Blasmusik… Irgendwie ist doch das alles von yesterday, als mein Trabbel so far away schien…

Plötzlich kam in der Pause ein kleines doofes Auto in die Arena gefahren und machte Reklame für die nächste Veranstaltung am übernächsten Wochenende, wenn in dieser Arena wieder eine Torada stattfindet, allerdings mit Liliputanern. "Als besondere Sensation werden Zwerge mitkämpfen." Heißa, das wird eine Gaudi geben und alle müssen kommen! Dieser vermaledeite Lautsprechercarro fuhr dreimal in der Arena herum, quäkte seine Einladung derart ohrenbetäubend und stank so nach Diesel, dass man ganz aggressiv wurde.

Da habe ich mir ausgemalt, dass jetzt die schwarzen Stiere in die Kampfarena kommen müssten und die quäkende Blechkiste mit den Hörnern angreifen müssten und alles niederstampfen und fertigmachen müssten. "Eine Herde von wilden Büffeln kam direkt auf unsern Lagerplatz zu"… und nun hängt ein Pferdehalfter an der Wand und der Auspuff hängt gleich nebenan. Ich glaube, das wäre ein toller Gag. Besser als Liliputaner.

5 Antworten

  1. Baedecker S.77f. schreibt:

    "Fester Bestandteil portugiesischen Brauchtums ist schließlich der Stierkampf (tourada). Allerdings unterscheidet er sich grundsätzlich von der spanischen Corrida, einem Begriff, der in Portugal schon einem Schimpfwort gleichkommt. Im Gegensatz zu Spanien und einigen Städten in Südfrankreich wird der Stier in Portugal nicht getötet, zumindest nicht in der Arena. Auch gibt es keine "Picadores", die den Stier mürbe machen. Dennoch ist auch die portugiesische Variante des Stierkampfes eine äußerst fragwürdige, da blutrünstige Unterhaltung auf Kosten des Tieres.

    Die Hauptfigur des portugiesischen Stierkampfes ist der Cavalheiro, eine Art berittener Torero, der oft von einer angesehenen Adelsfamilie abstammt. Er trägt immer ein elegantes  Kostüm im Stile Ludwigs XV. Nach einigen Reitnummern der Hohen Schule wird der Stier hereingelassen, den der Cavalheiro zu Pferd angreift. Der Reiter weicht ihm immer wieder geschickt aus und platziert einige "Farpas" (ähnlich den spanischen "Banderillas") im Nacken des Tieres. Um das Pferd nicht zu verletzen, werden die Hörner des Stieres durch Lederballen ("emboladas") entschärft.

    Hilfstoreros zu Fuß, Toureiros oder Capinhas, treten zeitweise auf, um dem Cavalheiro eine kurze Atempause zu ermöglichen. Hat der Cavalheiro seine Farpas gesetzt, zieht er sich zurück und überlässt das Feld acht Forcados, die zu Fuß und unbewaffnet den Stier frontal angreifen, demütigen und kampfunfähig machen. Die Phase des Kampfes heißt Pega."

  2. Henrique schreibt:

    Wir sind gerade in der Universität Porto und lesen mit Vergnügen in dieser Website. Olé!!
    Katharina, Harry und Heinz

  3. Carla u. Christoph schreibt:

    Die Szene kommt uns sehr bekannt vor und wir denken an einen wunderschönen Urlaub zurück.(Mein erster Versuch mit meinem Laptop) Liebe Grüße CuC.

  4. volkmar schreibt:

    Zitat: "(Mein erster Versuch mit meinem Laptop) Liebe Grüße CuC."

    Nanu, Weihnachtsgeschenk schon ausprobiert?

  5. Carla u. Christoph schreibt:

    Der Laptop war schon mein Geburtstagsgeschenk, mußte aber bis jetzt üben. Und jetzt, ganz stolz, bin ich schon bis nach Portugal gesurft. :-)

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