Die Verwandlung

Verfasst am: 18. Juli 2006 von Barbara Keine Kommentare

Die Verwandlung eines schönen Knaben

Nach langer Zeit habe ich jetzt einen jungen Mann wiedergesehen, – und ich kann es noch immer nicht fassen: Er hat sich so schrecklich verändert. Wie ist das nur möglich? Oder zeichnete sich das früher schon ab, deutete sich irgendwie an…, es kam ja wohl nicht über Nacht – und er veränderte sich langsam, ohne dass wir das wahrhaben wollten?

"Das Bildnis des Dorian Gray", so eine Geschichte ist das. Obwohl ich jetzt nicht ganz genau weiß, ob ich die beiden Lebensläufe vergleichen  darf.
Also, was mich zutiefst erschreckte: Aus diesem blühenden schönen jungen Menschen ist ein plumper stumpfsinniger dickbäuchiger Mann geworden, der sich ungeschickt langsam und ohne jedes Mienenspiel fortbewegt, kein Interesse an irgend etwas zeigt und nur viel isst und noch mehr trinkt. Manchmal sitzt er im Café bei den anderen Männern und drischt Skat. Im Kreise dieser wackeren Brüder fiel mir sein "Abstieg" vorher noch nicht auf, obwohl ich damals enttäuscht war, ihn dort zu sehen. Es war gar nicht der Rahmen, in den er zu gehören schien.

Er war ein hübscher schlanker Junge  mit brauner Haut, pechschwarzen Haaren und großen schwarzen Augen gewesen. Er lachte fröhlich, sang laut und klar und half seinem Vater bei der Arbeit, raste mit dem Fahrrad herum, schäkerte mit seiner Freundin, einem elfengleichen Märchenwesen, heiratete sehr früh und – von da ging es bergab, glaube ich. Er gehörte ja nun zu den Erwachsenen, zu den "richtigen Männern", saß jeden Abend im Café, wie sie uns erzählten, trank unheimlich viel, torkelte herum, hatte schlechte Laune, hielt kein Versprechen, hatte keine Interessen, nein, das war wohl das Schlimmste, er beteiligte sich an nichts, er ging auch (wie alle "Männer" hierzulande, jedenfalls die, die sich so toll als Männer aufspielen) nicht mehr zur Kirche. Und meiner Meinung nach verblödet ein Mensch doch, wenn er tagaus, tagein wortlos und widerspruchslos nur noch das portugiesische Fernsehen konsumiert: Die einzige geistige (?) Beschäftigung.

Ja, so muss das gekommen sein.

Ich hätte weinen können, als ich diesen Mann beobachtete, wie er seine junge Frau (auch kein elfengleiches Märchengeschöpf mehr) anfuhr und sein kleines Kind mit groben Händen völlig grundlos verhaute. Wirklich, es tat weh, vor allem, weil ich diesen Burschen früher so bildschön gefunden hatte. Da ist Gott ( oder den Eltern) ja ein Meisterwerk gelungen, habe ich mir früher immer so gedacht. Und was hat das Meisterwerk aus sich gemacht?

Mannomann, dass sich einer mit so schönen Anlagen selbst so verhunzen kann, dass einer so ein stumpfer dickbäuchiger hässlicher Klops wird – und war doch einmal ein Bild von einem Jüngling … ich muss mal diesen Oscar Wilde lesen… "Das  Bildnis des Dorian Gray" …

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