Ein Himmel aus Hortensien

Verfasst am: 8. Juli 2006 von Barbara 1 Kommentar

So dicke rosa Dolden und so leuchtend lilablaue Blütentuffs, wie sie die Hortensien in meinem Garten hinterm Haus haben, kannst du dir nicht vorstellen. Es ist wirklich ein bisschen Paradies oder Zeichenhaftes (schwälende Tage, alte Beschwörung, Bann!!) und Ahnung von einer neuen Welt, wie Hanns Dieter Hüsch sang:

Ich seh\’ ein Land mit neuen Bäumen.
Ich seh\’ ein Haus aus grünem Strauch.
Und einen Fluss mit flinken Fischen.
Und einen Himmel aus Hortensien seh ich auch.

Ich habe ja bei unserem Besuch auf den Azoren schon begeistert Rainer Maria zitiert, muss es auch heute noch einmal tun, bevor alles verblasst und vertrocknet. Vielleicht schaffen es die Worte ja besser als mein Fotoapparat, der nie die Farben so schön einfängt, wie ich sie sehe.

Rainer Maria Rilke
Blaue Hortensie

So wie das letzte Grün in Farbentiegeln
sind diese Blätter, trocken, stumpf und rauh,
hinter den Blütendolden, die ein Blau
nicht auf sich tragen, nur von ferne spiegeln.

Sie spiegeln es verweint und ungenau,
als wollten sie es wiederum verlieren,
und wie in alten blauen Briefpapieren
ist Gelb in ihnen, Violett und Grau;

Verwaschnes wie an einer Kinderschürze,
Nichtmehrgetragnes, dem nichts mehr geschieht:
wie fühlt man eines kleinen Lebens Kürze.

Doch plötzlich scheint das Blau sich zu verneuen
in einer von den Dolden, und man sieht
ein rührend Blaues sich vor Grünem freuen.

Rosa Hortensie

Wer nahm das Rosa an? Wer wusste auch,
dass es sich sammelte in diesen Dolden?
Wie Dinge unter Gold, die sich entgolden,
entröten sie sich sanft, wie im Gebrauch.

Dass sie für solches Rosa nichts verlangen.
Bleibt es für sie und lächelt aus der Luft?
Sind Engel da, es zärtlich zu empfangen,
wenn es vergeht, großmütig wie ein Duft?

Oder vielleicht auch geben sie es preis,
damit es nie erführe vom Verblühn.
Doch unter diesem Rosa hat ein Grün
gehorcht, das jetzt verwelkt und alles weiß.

Eine Antwort

  1. sonnenblume schreibt:

    UTOPIE

    Ich seh ein Land mit neuen Bäumen.
    Ich seh ein Haus aus grünem Strauch.
    Und einen Fluss mit flinken Fischen.
    Und einen Himmel aus Hortensien seh ich auch.

    Ich seh ein Licht aus Unschuld weiß
    Und einen Berg, der unberührt.
    Im Tal des Friedens geht ein junger Schäfer,
    der alle Tiere in die Freiheit führt.

    Ich hör ein Herz, das tapfer schlägt,
    in einem Menschen, den es noch nicht gibt,
    doch dessen Ankunft mich schon jetzt bewegt.
    Weil er erscheint und seine Feinde liebt.

    Das ist die Zeit, die ich nicht mehr erlebe.
    Das ist die Welt, die nicht von unsrer Welt.
    Sie ist aus feinstgesponnenem Gewebe,
    und Freunde, glaubt und seht: sie hält.

    Das ist das Land, nach dem ich mich so sehne,
    das mir durch Kopf und Körper schwimmt,
    mein Sterbenswort und Lebenskantilene,
    dass jeder jeden in die Arme nimmt.

    Hanns-Dieter Hüsch

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