Kupferschmied, Kesselflicker

Verfasst am: 24. Juni 2006 von Barbara Keine Kommentare

Kupferschmied, Kesselflicker

Gestern habe ich mal wieder mit meiner Nachbarin einen dieser unbeschreiblich schönen Ausflüge hinter die Kulissen oder ins "wahre Portugal" gemacht, weißt du, einen Besuch, bei dem man hinter die verschlossenen Hoftüren und Fenster gucken darf.

Die Nachbarin wollte ihren alten Spritzapparat zur Reparatur fortbringen und den ausgebesserten abholen, sie hatte mir tagelang vorher schon erklärt, was dieses Gerät ihr bedeutet, was daran defekt ist, wie wunderbar es funktioniert, wenn es funktioniert, dass es jetzt aber nicht mehr funktioniert, dass der Herr Soundso – "Ich weiß nicht, ob er Toni, Toninho oder Dioninho heißt", sagte sie – ihn jedenfalls reparieren kann, dass er schon mal einen Apparat ausgebessert hat, sie müsse doch damit in ihem Garten Kunstdünger versprühen oder Pflanzenschutzmittel, nein, das sei kein Gift, keine Chemie, das sei die reine Natur, was sie da nimmt, Sulfat, ganz dünne Lösung und total biologisch, aber ohne die Spritze geht es nicht, die noch von ihrem Großvater stammt, der hat damit immer schon den Garten gepflegt, ai, was für eine schöne Spritze, wunderbare Qualität aus der guten alten Zeit,  und sie könne ohne diese Spritze überhaupt nicht leben, sie sei nur ein halber Mensch ohne die wundervolle Spritze, sie kann überhaupt nur leben, wenn sie dieses Ding auf dem Rücken trägt und  damit durch den Garten geht: "Guck mal, so!" Und sie schnallt sich einen imaginären Kanister wie einen Rucksack um, bedient mit der linken Hand einen Hebel und pumpt und pumpt und besprüht die Umgebung, indem sie glücklich lächelnd mit einer nur vorgestellten Spritzdüse in der rechten Hand unsichtbare Primeltöpfe ansteuert.

Na gut, wir verabreden einen Termin und bringen das defekte Gerät zu dem Senhor Toni oder Toninho oder so ähnlich. Es wird eine wunderschöne Landpartie, denn so genau weiß meine Nachbarin auch nicht mehr, wo es lang geht, denn das letzte Mal ist sie von einer anderen Richtung gekommen. "Na, fahren wir mal hier rechts ab!" Rechts ist natürlich nicht richtig: "Ai Jesus, nein, da war das damals nicht, wir müssen mal fragen, da war doch ein Café irgendwo, halt mal an", aber hier im Maisfeld kann niemand Auskunft geben.

Schließlich stehen wir doch vor dem richtigen Haus. Ich gurke eigentlich gerne mit ihr herum, man kommt dabei in Winkel, die ich sonst gar nicht kennenlernen würde. Das Haus ist ein richtiges altes portugiesisches Haus mit uralten bunten Fliesen beklebt und mit verschlossenen Türen und Fenstern. Wir klingeln.  Da steht sie nun erwartungsvoll und ihrem Glück so nahe: die verstaubte defekte Spritze neben sich und eine Schüssel, die in einen Papiersack gewickelt ist, unterm Arm. Wir klingeln noch einmal.

Da schaut eine junge Frau über die Gartenmauer und sagt, dass der Vater nicht da sei und und und… ein "gansos-patos-perus"-Gespräch, ich gehe mal eben auf das verwahrloste Nachbargrundstück und schaue in den riesigen tiefen Brunnen (das ist genau der, der in meinem jetzigen Krimi vorkommt! – aber hallo!) betrachte die Engelstrompeten, die verschiedenen Fuchsienblüten, die kleinen Geranien… Meine Nachbarin ist mir gefolgt. "Du musst dir einen Ableger mitnehmen", zischelt sie und pflückt sich ein paar Zweiglein hier und hier und da. Schon kommt die Besitzerin dieses Grundstücks (aus irgendeinem Erdloch hervor?) und fragt, was wir suchen und ob wir etwas brauchen und ob sie uns dienen könne.
"Wo hast du denn deine Sachen?"
Sie hat sie vor die Haustüre gestellt, weil der alte Herr gleich kommt.
"Und wenn das einer klaut? Du hast mir doch gerade erzählt, dass aus dem leer stehenden Haus deines Schwiegervaters alles geklaut worden ist. Komm, gehen wir zurück, Ableger hast du ja nun genug mitgenommen," sage ich.
Gerade fährt eine alte Frau auf dem Fahrrad vorbei und macht gierige Stielaugen, als sie die eingewickelten Gerätschaften vor der Haustüre von Herrn Toni-Toninho sieht. "Siehste, das ist hier gefährlich!"

Endlich kommt auch der liebe Freund und Kupferstecher, begrüßt die Kundschaft, öffnet sein Gartentor, fährt das Auto auf den Hof und holt uns nach einer Weile herein. Er hat wirklich die eine Spritze schön repariert, ein Prachtstück! Und er wird sich auch der anderen annehmen. Und was ist da in dem Packpapier?

Maria wickelt ihre alte blanke Messingschüssel aus, an der die Henkel neu angeschweißt werden müssen. Ohne diesen herrlichen golden blinkenden Kessel könne sie überhaupt nicht leben, sie brauche ihn beim Schlachten für die Fleischstückchen (Rojoes), es sei ein wunderbarer Kessel aus alter Zeit, sowas gibt es heute nicht mehr.

Herr Toni-Toninho wird auch dieses edle Stück wieder auf Vordermann bringen, er hat schon mehrere solcher Museumsstücke gerettet, und er zeigt uns seine Schätze.

Es ist tatsächlich so: Hinter diesen abweisenden Fassaden portugiesischer Häuser stecken die schönsten Paradiesgärten, Wunder und Geheimnisse. Und es ist toll, dass ich mir das alles anschauen darf. "Versteht die Senhora Portugiesisch?", fragt Herr Tonioderso. "Ich verstehe alles, aber zum Spechen komme ich nicht", sage ich und wir lachen, denn die Nachbarin redet wirklich wie ein Wasserfall.

In der riesigen Küche arbeiten die Frau und die Tochter, ein Enkelkind fährt mit dem Fahrrad herum, mehrere Hunde bellen, Hühner gackern, zwischen wunderbaren alten Tiegeln und Kupferkesseln, Messinggeräten und altertümlichen Apparaturen für die  Branntweinherstellung, Eisengittern und verschnörkelten Tischgestellen gibt es Brutapparate mit Fasanenküken oder –eiern: "Wollt ihr mal meine Fasanen, Hühner und Vögel sehen?"

In den Volieren flattern exotische Tiere, ein Pfau, Goldfasanen, dann eine lustige Rasse zersauster Federwische, auch bunte Hähne der Rasse "Italiener", schwarzweiße Hähne und kleine Tauben. Ein zoologischer Garten, ein Vogelparadies. Und das betreut alles der alte Herr.
Wer hätte das gedacht?
Und der Garten ist endlos und super gepflegt.

Wir reden noch den ganzen Heimweg über die Wunderwelt, die wir hinter dem verschlossenen Hoftor gesehen haben.

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