Rudolfo malt rote Schuhe

Verfasst am: 29. Oktober 2005 von Barbara Keine Kommentare

In der Oktobersonne sitzt Rudolfo und spitzt seine Rohrfeder, nachdem er gestern seine Ohren gespitzt hatte, weil er aus meinem Telefongespräch und Gekicher mit der Algarve-Barbara einige Rosinen in Gestalt seltsamer Wörter wie "pikant, verrückt, schlüpfrig-erotisch" mitbekommen hatte. Rosinen, die wir gerade im Kopf haben, weil wir alle Künstler – Schriftsteller und Maler und Designer – zu einem Wettbewerb aufgerufen haben.
"Wie? Was für ein Wettbewerb?", fragte Rudolfo.
"Ein Wettbewerb zum Thema >Rote Schuhe<!", sagte ich und legte sämtliche motivierende Begeisterung in meine Darstellung dieses gerade aus der Taufe gehobenen Wettbewerbs. "Du musst dich unbedingt daran beteiligen, du hast so einen genialen Schwung in deinen Zeichnungen, da liegt doch so viel Seele in deinen chinesischen Tusche-Zeichnungen, die du mit einem kraftvollen Strich aufs Papier bannst, die sind doch zum Verrücktwerden schön, und du kannst – ich sehe das schon vor mir – so einen roten Schuh mit diesem großartigen chinesischen Pinsel oder mit der Rohrfeder hinmalen, da ist so viel Erotik und Leben und Vitalität drin…"

Rudolfo lachte, ein bisschen gemütlich und geschmeichelt, aber eher noch ein bisschen spöttisch. Er nennt diese Reden von mir : "Gesäusel". Er sagt: "Die Barbara säuselt ", und er weiß, dass das Gesäusel damit endet, dass er schließlich nachgibt und mir eins seiner schönsten Bilder schenkt, nämlich das am heftigsten um- oder besäuselte.

So haben wir schon den schönen Weinberg von Carregosa mit João Cadetos Haus, die goldgelbe Landschaft von Vila Real, die verschlossenen geheimnisvollen Innenhöfe von Castro Marim, ein Aquarell von Porto und viele Federzeichnungen, nicht zu vergessen die Illustrationen der Bücher für den Luazul-Verlag, von ihm ersäuselt.

"Also, ich könnte dir sogar ein Paar inspirierende rote Stiefel hinlegen, aber die brauchst du sicher gar nicht. Wie wir darauf gekommen sind? Also, gekommen sind wir auf das Thema und die Aktion durch die Geschichte von der Algarve-Barbara über einen Schuster, dem eine junge Frau ihre roten Schuhe zur Reparatur bringt, weißt du, so ein MisterMinit in einer Schuhbar im Supermarkt, so ein Typ Latin Lover, der bei der Frau plötzlich längst verloren geglaubte  Frühlingsgefühle auslöst… Oder sie bei ihm… Rote Schuhe haben doch so etwas an sich… Das wirst du zugeben…", sagte ich.

Zum Essen reichte ich roten Tomatensalat mit Balsamikum-Basilikum, roten rohen Schinken, reichlich roten Pfeffer, danach rote Rüben in der Suppe, betrunkene Kartoffeln in Rotweintunke und überhaupt viel Tinto, anschließend rote Kakifrüchte, -das alles ließ ich bewusst aufs Unterbewusstsein wirken …

… und jetzt – nach der Siesta – sitzt Rudolfo am blauen Tisch unter dem Torbogen und malt. Ob er wohl …?

Ich kann vor lauter Neugier kaum noch an mich halten. Aber Künstler haben es nicht gerne, wenn man ihnen bei der halbfertigen Arbeit über die Schulter guckt, wahrscheinlich haben sie es auch nicht gern, wenn die Muse sie mitten im Schaffensprozess küsst bzw. besäuselt.

Ich wüde ja so gerne mal nachsehen, was da entsteht.
Noch nicht.
Ich klappere mit Geschirr, das wirkt geschäftig, dann merkt keiner, dass ich nur darauf warte,  das Meisterwerk zu betrachten.

Aber gleich wird er fertig sein!

Ja, jetzt summt er nicht mehr vor sich hin, jetzt steht er auf und wechselt das Tuschwasser.
"Rudolfo! Kann ich gucken kommen?"

Nein, der Maestro ist noch nicht ganz zufrieden mit dem Werk, das braucht noch ein Passepartout, sonst wirkt das alles nicht, und wir suchen noch das Papierschneidemesser und den Passepartout-Karton und eine Zeichen-Unterlage und Klebstreifen und ..
"Jetzt?"

Andächtige Pause.
Danach: "OOOOOOOOOH!"
Oha!
"Oh, welch eine Lösung!"

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