Der Kinderbuch-Illustrator

Verfasst am: 6. Oktober 2005 von Barbara 1 Kommentar

Prof. Rosindas Kinderbuch und Joao Cravos Illustrationen

Gestern am Nationalfeiertag 5. Oktober  wurden Rosindas Kinderbücher "Es war einmal" und "Der Palast der Morgenröte" in der Stadtbibliothek von Oliveira do Bairro vorgestellt. Es verlief nach dem altbewährten Rezept, dass nämlich am Tisch auf dem Podium die hochtitulierten und sattsam bekannten Vizepräsidenten und Divisionsleiterinnen Platz nahmen und Reden hielten.

Es dauerte wieder einmal 40 Minuten, bis es überhaupt anfing, und der Anfang war ausgedehnt und aufgebläht durch die höflichen und langatmigen Begrüßungen mit den gedrechselten Anreden und überaus artigen Danksagungen. Mit dem zauberhaften Traum vom Schloss der Träume und mit der Welt der Kinder hatte das alles nichts zu tun.
Am wenigsten die huldreiche Lobhudelei für einen alten Herrn, der 40 Bücher (aus seinem Bücherschrank, Haushaltsauflösung aus Altersgründen?)  für die Bibliothek gestiftet hatte. Dazu – man höre und staune – seine alten Zeitschriften. Nun wissen wir endlich, wohin mit den alten Zeitungen! Das wurde alles verlesen, und am liebsten hätte der Sponsor gesehen, dass man jeden Titel seiner Stiftsbücher auch noch verlesen hätte. Das war alles herzlich langweilig, aber man weiß ja, was sich gehört. Nur musste man öfter "Pscht, Ruhe!" nach draußen zischen, wo sich ein paar Kinder als Zauberer und Prinzessinnen und Neptun verkleidet hatten und aufgeregt auf ihren Auftritt warteten.
Man ließ sie warten.
Sie waren eigentlich das Wichtigste, aber sie mussten diese stundenlangen Reden abwarten, die darauf hinaus zielten, dass man einander bestätigte: "Wir sind die Größten und Besten! Wir sind die Kulturschaffenden. Mit uns blüht und gedeiht die Kultur in Portugal."

Nun gut, einmal kamen sie dann doch endlich dran und führten uns in ihre Welt, während man am Podiumstisch gequält lächelte. "Ja, die Kinder… Ai, que bonita…"
Nach 2 Stunden kam man ans Ende der Würdigungen, wusste, dass die Stadt O.de Bairro das Herzstück und Kulturzentrum Portugals schlechthin ist und dankte wieder allen Institutionen und jedem einzelnen Vertreter derselben und überhaupt allen und erwähnte jeden und überreichte Blumengebinde – vor allem diese Anthurien, rosa  Schweinefilets mit einem aufdringlich-geilen Staubgefäß.

Rosinda fand aber echte und  herzliche Worte und bedankte sich auch bei den Kindern, die das Buch "Es war einmal" vorgestellt hatten, bedankte sich bei den kleinen Zeichnern und Gestaltern und auch bei dem Jungen, der ihren "Palast der Morgendämmerung" illustriert hatte. Dieser hübsche Junge erhob sich bescheiden, ließ sich die Hand drücken und stellte sich artig an der Seitenwand auf.

Da wir bis dahin noch kein Buch in der Hand gehabt und betrachtet hatten, konnten wir noch gar nicht ermessen, wie hoch Joaos Verdienst überhaupt war und wie nichtswürdig die offiziellen Personen ihn behandelten. Wir hatten nur so ein unbestimmtes Gefühl, dass das Event irgendwie "ganz daneben" war.

Nur Heinz empfand hier wohl eine ziemliche Ungerechtigkeit. Ihn empörte es, dass man die Kinder und jugendlichen Mitarbeiter so schmählich überging. Er ließ sich ein Exemplar aushändigen und verschwand im Gedränge der Gäste, die sich zum Ausgang hin bewegten.

Als er wieder auftauchte, schwenkte er glücklich sein Buch: Er hatte sich von Joao, der jede Seite sehr gekonnt und fantasievoll illustriert hatte, ein Autogramm geben lassen: Vor- und Nachname in ganz kleiner feiner Schülerschrift, und darunter ein schwungvoller Krikelkrakel, sein Name in künstlerischer Manier.

Sein erstes und einziges Autogramm!
Also, das war genau das Richtige, was Heinz da tat. Ich finde, das ist eine große Begabung. Das, meine ich, ist Charisma. Zu spüren, was menschlich richtig und wirklich wichtig ist und wie man einem Schüler die ihm zustehende Anerkennung schenkt.

Eine Antwort

  1. volkmar schreibt:

    Ich frage mich immer wieder, warum das Publikum diese elend lange Selbstbeweihräucherung der Honoratioren eigentlich mitmacht. Warum gibt es keine Zwischenrufe, warum kein Sprechchor "Wir wollen die Kinder sehen!", warum kein Transparent? Schon 1968 hatten wir bei unseren "teach ins" Schilder aus der Telefonzelle hochgehalten: "Fasse dich kurz!", oder forderten mit Uschi Glas: "Zur Sache, Schätzchen!"

    Man könnte solche Korrekturen  doch mit portugiesischem Humor, falls es den gibt, machen. Oder wenigstens ständig husten.

    Aber wahrscheinlich ist das Publikum in seiner Mehrheit selber so honoratiorenfreundlich, weil da ein kleiner Abglanz von Wichtigkeit von einem Lokalmatador auf ein unbedeutendes Stimmvieh fällt?

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