Maisbart-Tee

Verfasst am: 9. Juli 2005 von Barbara Keine Kommentare

Schon seit einigen Wochen liegt der gute Dorindo nach seinem Unfall krank darnieder, er ist auf seinem Bau vom Gerüst gestürzt und hat mehrere Rippen gebrochen. Und nun hat der Arzt gar noch Nierensteine festgestellt.

Nierensteine sind unser Spezialthema. Da kennen wir uns aus! Da werden wir helfen.

Und schon fiel mir das tolle Rezept ein, das mein Bruder während seines Aufenthaltes in Armenien kennenlernte und erfolgreich ausprobierte, als er und seine Frau Jacqueline dort an der Uni Seminare hielten. Er schreibt in seinem „Kaukasischen Tagebuch“ am 15. September 2004:

„Julietta bestand darauf, dass ich noch zu einem Urologen geführt wurde, einem „Nierenarzt“, wie sie ihn nennt. Nach Schulschluss führte sie mich zu der Praxis dieses Arztes, der mit mehreren anderen Kollegen in einem Gebäude gegenüber der Uni tätig ist. Er heißt Boris, genannt Borja, den Nachnamen kannte sie nicht, aber er ist ein guter Freund. Dieser Boris ist etwa Mitte 50, ein bescheidener gütiger Mensch. Er hörte sich meine Geschichte an, Julietta übersetzte, aber er verstand die Fachausdrücke auch so. Er kannte „Blemaren“,  ein Mittel, das Harnsäuresteine auflöst. In Frankreich kannte der Urologe das nicht. Er nannte ein paar Koryphäen in Holland (Prof. Schröder), in Lyon und Paris (Levon Sarkissian), die seine Lehrer und Freunde seien. Ich fragte Boris nach einem „kaukasischen Wundermittel“. Ich habe zwar alles getan, um die Bildung von Nierensteinen zu verhindern, sie kämen aber doch.

Er sagte, im Kaukasus trinken die Bauern den Sud vom aufgebrühten Bast des Mais. Man nimmt diesen Bast, der sich über dem Maiskolben befindet, eine Handvoll davon, brüht ihn auf in einem halben Liter Wasser, lässt den Sud 12 Stunden stehen und trinkt ihn am Morgen, nachdem man ihn durch ein Sieb gegossen hat. Diese Kur dauert 10 Tage. Im Kaukasus kurierte man seine  Probleme sehr erfolgreich auf diese Art. Nach den 10 Tagen solle ich mich noch einmal durchchecken lassen. Geld wollte er für die Konsultation nicht haben. Falls das Mittel bei mir anschlägt, wäre das wirklich ein Hammer. Aber so etwas macht Ärzte und besonders Apotheker arm.“

Also sammelte ich die Barthaare des Mais und trocknete sie, schrieb das armenische Rezept – das ich lange in den interessanten Aufzeichnungen meines Bruder suchte, und zwar dauerte es so lange, weil ich mich immer wieder festlas – schrieb es also noch einmal auf und wollte es Dorindo überbringen.

Auf dem Weg dorthin ergab es sich, dass wir am Garten meiner Nachbarin vorbei gingen. „Wohin geht ihr? Ach ja, der arme Dorindo. Ai, er ist ja krank, schlimm, schlimm, die Rippen gebrochen und Nierensteine…“ Sie ist nicht neugierig, sie ist nur teilnahmsvoll.
„Was hast du da, Paschtore, ein Medikament?“

Na gut, wir erzählten ihr von unserem Wundermittel und dachten, jetzt wird sie sicher staunen und beeindruckt sein und uns ausfragen und das Rezept auch haben wollen, falls sie selbst einmal betroffen ist. Aber sie war ganz und gar nicht erstaunt, sondern sagte : „Ach ja, das ist ein altbekanntes Mittel in Portugal. Das hat unser Arzt uns auch schon vor langer Zeit empfohlen. Das ist Tee vom Maisbart, wir nennen das Zeug  barba de milho, ja, das soll gut sein. Ist ein altbekanntes Diureticum. Ich habe das im vorigen Jahr auch gesammelt und getrocknet. Wartet, ich hole mein Wunderkraut. Ich habe noch etwas von dem ganz herrlichen Kraut übrig.“ Und sie hielt uns ihre getrockneten braunen Maisbartfäden unter die Nase, laut die Wunderwirkung beim Wasserlassen und vor allem die einmalige Qualität ihres Tees preisend.

„Zeig doch einmal her, wie die barba do milho von euch aussieht!“
Wir halten ihr stolz unseren Maisbart-tee hin.
Sie schreit mit allen Anzeichen der Abscheu: „Was, das wollt ihr etwa Dorindo geben? Das taugt ja rein gar nichts, das ist ja völlig unreif, das müsst ihr pflücken, wenn es reif ist. Das habt ihr viel zu früh gepflückt. Nein, damit werdet ihr gar keinen Erfolg haben, das wird nichts, das bringt nichts. Da muss ich wohl selber noch einmal losgehen und diesen Maisbast auf meinem eigenen Feld sammeln.“

Sie schüttelte den Kopf, warf mit größter Verachtung unser getrocknetes Kraut, das sich in keiner Faser von ihrem unterschied, aber noch sehr angenehm nach Sonne und Mais duftete, in die Tüte zurück und sagte: „Nein, das taugt nicht, also, das taugt überhaupt nicht. Nao presta pra nada!”

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