Heilige Handlung

Verfasst am: 7. Juli 2005 von Barbara Keine Kommentare

Heilige Handlung

oder

Meine Nachbarin kocht Pellkartoffeln.

Zum Fest hatten wir ein Spanferkel bestellt, dazu sollte es die frisch gebuddelten neuen Kartoffeln geben, deren Schale so dünn und zart ist, dass man sie mitessen kann. Und eigentlich grünen Salat. "Aber du hast keinen guten Salat im Garten, nein, lass das mal lieber. Wir verzichten auf den Salat. Es gibt nur Orangenscheiben. Und die bringe ich selber mit. Deine Orangen sind nicht so gut wie meine. Meine sind ein einziger Saft", sagte sie und quetschte vor meinen Augen eine Orange in der bloßen Faust, so dass der Saft in mein Gesicht spritzte. Ich war froh, dass meine Brille die Augen vor dem zitrusfrischen beißenden Saft bewahrt hatte. Mit derart entwaffnenden Methoden kann sie natürlich leicht überzeugen. Außerdem habe ich es schon längst aufgegeben, ihr auf ihrem Spezialgebiet und in ihrem ureigenen Bereich, das sind diese portugiesische Küche und Kochkunst und dieser portugiesische Bauernhof, das ist nun einmal ihre Domäne, – zudem im eigenen Vaterland! – zu widersprechen. Nur manchmal und zwar wenn ich am eigenen Herd stehe, riskiere ich es, meinen Willen durchzusetzen, indem ich freundlich sage: "Ja, weißt du, das ist deutsch. In Deutschland macht man das so."

Sie kam 2 Stunden vor dem Essen – wie gesagt, es war  u n s e r  Fest und fand in  u n s e r e m  Haus und in  m e i n e r  Küche statt. Sie kam also mit einem blauen Eimer voller leuchtender Orangen und ging hoheitsvoll an allen Gäste vorbei direkt zum Herd, auf dem schon der Topf mit den Kartoffeln stand. Sie hob den Deckel und begann mit der Examination:
"Hast du sie schon gewaschen?" Ich hatte sie schon gewaschen, aber nicht richtig.
"Warum nimmst du so viel Wasser?" Wieso ist das zuviel??
"Hast du Salz am Wasser?" Nee, seit wann kocht man Pellkartoffeln in Salzwasser? Sind doch keine Salzkartoffeln. Aber in Portugal geht man sehr verschwenderisch mit Salz um, das gibt es hier ja auch wie Salz am Meer. Ich habe in einer Statistik gelesen, dass in Portugal der höchste Salzverbrauch der Welt ist. Pro Kopf werden täglich soundsoviel Gramm verbraucht.
Hatte ich vorher noch nie so beobachtet. Aber ich begann zu verstehen:
Naja, für Bacalhau.
Und für die gesalzenen Preise.
"Warum nimmst du so einen großen breiten Topf?" Also, nicht einmal der Topf war richtig gewählt.

Sie schüttete den Topf mit den Kartoffeln in das marmorne Spülbecken und wusch die Kartoffeln noch einmal, sie lobte und pries dabei die Qualität dieser herrlichen Sorte und rieb zärtlich die festen Rundungen. "Ai, batatinhas…"
Dann schnitt sie die schadhaften Stellen heraus, wo zum Beispiel mal ein Hieb von der Hacke das Kartöffelchen getroffen oder ein Käfer geknabbert oder eine Hautunreinheit sich gezeigt hatte.
Dann bettete sie die Kartoffeln in den Topf – sie nahm sogar den Topf meiner Wahl, weil auf der sehr großen Flamme des Herdes genau dieser Topf am besten passt, obwohl so ein Gasherd ja nichts taugt, du musst ein offenens Feuerchen machen und den Topf auf den Dreifuß stellen, damit die Flammen und die Wärme gleichmäßig an dem Topf hochsteigen, verstehst du.
Dann holte sie das gute Salz aus Aveiro und streute mit ihren braunen harten flinken Händen in einer segnenden Geste das Salz in das Kochwasser, nicht zuviel, nicht zu wenig.
Sie deckte liebevoll den Topf wieder zu, wie man ein Kind zudeckt, das man abends ins Bett bringt: "So, nun gute Nacht, nun kocht mal schön und werdet schön gar."

Hin und wieder ging sie zum Herd und regulierte hingebungsvoll die Flammen, hob den Deckel und piekte prüfend in die Kartoffeln, ganz dem Topf mit den Kartoffeln zugewandt.

Und ich dachte angesichts dieser weihevollen Szene wie schon oft : Wenn sie Blumen verschenkt, dann reißt sie den ganzen Garten ab; wenn sie etwas macht, dann macht sie nur das, aber das gründlich; wenn sie schimpft, dann schimpft sie; wenn sie Kartoffeln kocht, dann kocht sie Kartoffeln.

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