Ein Brief aus meinem Dorf

Verfasst am: 20. Juni 2005 von Barbara 2 Kommentare

Lettres de mon moulin – Ein Brief aus meinem Dorf

Wir haben lange überlegt, wie wir es anstellen, dass ein portugiesischer Verlag mein seit 20 Jahren übersetztes, überarbeitetes und sorgfältig redigiertes Manuskript annimmt.
Der Verlag Pergaminho schickte das MS nach 4 Wochen mit einer höflich formulierten Absage wenigstens wieder zurück. Die anderen meldeten sich seit 8 Wochen noch nicht und lassen uns die Hoffnung, dass dieses Werk der Weltliteratur ausgiebig im Lektorat gelesen und besprochen wird.
(Haha.)

Da sitze ich also – am Meer oder zwischen den Maisfeldern, das Wasser rauscht hier wie dort, und ich sinne darüber nach, wie ich meine Zuneigung, meine Sorge und Fürsorge für Portugal bekennen könnte.

Und nun kam mir der Gedanke, an den großen Nobelpreisträger José Saramago zu schreiben und mit ihm in Kontakt zu treten. Ich werde ihn besuchen und ihm erzählen, wie sehr ich um Portugal besorgt bin, dass ich dieses Land wie meine Heimat und meinen Augapfel hüten und beschützen möchte, dass ich es vor den offensichtlichen Sünden und Fehlern, die alle europäischen Nationen gemacht und manchmal sogar schon eingesehen haben, warnen möchte.
Lauter edle Motive und Gedanken, die ich mit diesem bedeutenden Mann besprechen möchte. Das war der erste Schritt.

Und ich schrieb einen schönen Brief. Das war der 2. Schritt.
Allein, wohin schreibe ich diesen Brief?
Wo lebt José Saramago?
Wo treffe ich den?
Und wie rede ich dann mit ihm, wo ich doch gar nicht in der Lage bin, so gut portugiesisch zu sprechen, dass ich diese differenzierten edlen Gedanken zum Ausdruck bringen kann?

Der 3. Schritt war die Übersetzung, die ich vertrauensvoll Heinz übertrug. Zum Glück half ihm ein echter Portugiese dabei, die Zuckerkringel und Schokofloskeln in meinem Brief zu tilgen. Schwierig erschien allerdings die Wendung "nicht zuletzt…", was man ja nicht mit "finalmente" und schon gar nicht mit "não finalmente" übersetzen kann, was aber im Deutschen sehr fein und bescheiden-klug formuliert ist. Dabei hatte ich mir schon beim Aufsetzen meines Briefes im Geiste die portugiesische Version, also eine redigierte Fassung meiner überschwänglichen Formulierungen, zurechtgelegt. Ich dachte in portugiesischer Sprache und schrieb deutsche Sätze, was ein ziemlich komplizierter Vorgang und eine ziemliches Hemmnis ist bei der "allmählichen Verfertigung der Gedanken".

Nun kam der 4. Schritt, nämlich den Brief als portugiesischen abzuschreiben und an den Lektor im Caminho-Verlag zu senden. Dort ist ein Dr. Solferino Coelho für die Editionen von Saramago zuständig. Er wird meinen Antrag auf Gewährung einer Sprechstunde weiterleiten, se Deus quiser.

Wir warten jetzt.

Hoffentlich ist das Telefon in dem Moment im Gange (Kein Stromausfall, keine falsch zusammen geknoteten Telefonleitungen in Sosa, bitte!), wenn der Sekretär des Schriftstellers mir den Termin für ein Treffen mitteilt.
Hoffentlich sind wir dann auch in der Nähe, wenn es schrillt, falls es schrillt.
Hoffentlich kommt der Brief jemals an die richtige Adresse.
Hoffentlich versteht der Leser mein Anliegen.

Wir warten wie bei der Weihnachtslotterie auf den Hauptgewinn. Und den haben wir  schon zweimal gewonnen. Also besteht doch eine Chance…

Wenn ich es mir aber recht überlege, habe ich wohl alles falsch angefangen.

Wie nähere ich mich eigentlich einem Dichter?

Ich habe früher, vor der Wende, einmal an Christa Wolf geschrieben, sie antwortete sehr liebenswürdig, mein Herz schlug heftig und ließ mich ein Gedicht für sie machen –
und an Peter Härtling habe ich mich auch mehrmals herangetraut. Er war sehr freundlich und sehr zurückhaltend.
Das waren erfolglose Annäherungsversuche.

Wie nähert man sich einem Schriftsteller? Ja, vielleicht weiß jemand von Euch, wie ich das anstellen muss.

2 Antworten

  1. Volkmar schreibt:

    Wie nähert man sich einem Schriftsteller?

    Ich denke, am besten überhaupt nicht. In der Regel sind die doch alle so dünnhäutig, dass auch der ganz positive Annäherungsversuch sie schon schmerzt.

    Und warum sollte eigentlich ein (etablierter) Schriftsteller einem anderen helfen und einen Aufstieg ermöglichen? Er sitzt doch auf dem Olymp und will keine anderen Götter haben außer sich selbst.

    Was nicht bedeutet, dass seine Literatur nicht groß ist. Aber wenn ich nur an die "Gruppe 47" denke und ihren Hickhack, da hat doch keiner dem anderen geholfen, so viel mir bekannt ist.

    Wahrscheinlich geht die Annäherung, besser der Respekt, nur über den (Um-)Weg des eigenen Erfolgs, und den verdankt man anderen Leuten: Verlegern, Gönnern, Leute mit Gespür für Talent.

    Aber lass Dich trotzdem nicht zu sehr entmutigen.

  2. Heidi Palmer schreibt:

    Liebe Barbara,
    als wir uns das erste Mal sahen, hatten wir dich zu einem Seniorennachmittag eingeladen (es kamen nur keine Senioren; bloß die vier ältesten Palmers lauschten – der jüngste zog damals den Sandkasten vor…), es gab Kuchen und anschließend Blumenstauden aus unserem ökologischen Naturparadies – und es war sooo schön – und ich staunte sooo sehr, dass mir DIE Barbara Seuffert gegenüber sitzt….; ach ja!!
    Und nun bist du mir ein so lieber und nahestehender Mensch geworden. Ich fühle mich ganz fest mit dir verbunden. Und ich kann dich per Mail, in Gedanken und auch tatsächlich umarmen (fühl dich fest gedrückt!!!) – ist das nicht toll?!
    Also ich wünsche dir, dass bald das Telefon bimmelt und die Sekretärin (?) oder der gute Mann persönlich mit dir einen Termin macht!!
    Da du portugiesisch denken und gleichzeitig deutsch schreiben kannst, bist du auch in der Lage mit Senhor Saramago differenziert portugiesisch zu sprechen (weil du ja nicht gleichzeitig deutsch schreiben mußt, dich sozusagen ganz aufs Portugiesische konzentrieren kannst). Ich weiß, du schaffst das!!

Eine Antwort verfassen