Feira Gastronómica/Mamarrosa

Verfasst am: 4. August 2004 von Barbara Keine Kommentare

Feira Gastronómica in Mamarrosa 2004

Jetzt werden hier auf allen Dörfern die Patronats- oder Kirchweihfeste, die Romarias, gefeiert. Im August knallen ständig die Raketen und Böller, überall ist was los, und überall wackeln die Wände wegen der dröhnenden Bässe der Musikgruppen, der rauschenden Autoschlangen, des Motorradgeknatters. Im August ist es eine Lust zu leben, besonders nachts und am Wochenende.

Der Ort Mamarrosa feiert seinen Heiligen Sebastian.
Das ist nichts Ungewöhnliches, das machen die Leute aus Mamarrosa schon seit Jahrhunderten.
Aber in diesem Jahr passierte etwas Außergewöhnliches:
Das traditionelle Fest wurde von Frau Professora Rosinda de Oliveira und ihrer Gruppe gestaltet, die sich um kulturelle Aktivitäten bemüht. Wir haben schon des öfteren von diesen Initiativen und Ereignissen berichtet. Die Professora macht mit der Laienspielgruppe Karnevalsveranstaltungen, sie macht mit Schülern Musik- und Literatur–Veranstaltungen, besonders Gedichtvorträge, in der Bibliothek, sie feiert Heimatfeste mit Folkloretänzen, Musik und Literatur. Sie ist selbst eine Heimat-Dichterin, die das Leben auf dem Dorf schätzt, Rosen züchtet und sich mit viel Fingerspitzengefühl für die Erhaltung des Volksgutes einsetzt.

Sie hat vor einiger Zeit mein Buch "Der Portugiese ist der beste Liebhaber" vorgestellt. Ihre Lob-Rede kann man in unserer homepage lesen. Sie war begeistert von der Lektüre und gestaltete einige Szenen daraus, die die Frauen dann auf der Bühne spielten. Sie war deshalb so begeistert, weil hier eine deutsche Frau ("autora polaca") den Portugiesinnen die Augen öffnete für die Schätze und Werte, für die Bräuche und den kulturellen Reichtum des Landes. Die Frauen in ihren Bauerntrachten kochten und bereiteten auf dem Podium der Biblioteca Municipal die Spezialitäten ihrer Heimat zu, alles in echt: Caldo verde und Carneiro, das ist Lammfleisch. Töpfe und Schüsseln, Krüge und Körbe, Dreifüße und Hocker, bäuerliche Gerätschaften wurden da gezeigt, und die Stimmung war glücklich und heiter, weil die Frauen sich selbst spielten und ihre geliebte Heimat vorführten.

Nun hatte also Dona Rosinda die Idee, das diesjährige Kirchweihfest nicht nur mit teuren lauten Bands zu bestücken, sondern aus eigenen Kräften und mit ihrem Können, ihren Bräuchen, Kochkünsten und alten Rezepten, mit Traditionen und Heimatkultur und Wissen ein besonderes Dorffest zu feiern, auf dem es die selbstangebauten Weine und die von eigener Hand zubereiteten  Spezialitäten aus Mutters Küche zu kosten geben sollte.

Als Hagen kürzlich das Ehepaar Mario und Rosinda in Aveiro traf, luden sie uns ein, am Freitag, dem 30.7.2004 zum Auftakt dieses Festes abends nach Mamarrosa zu kommen. Es gebe dann auch etwas Gutes zu essen, die Frauen würden Caldo Verde und Carneiro zubereiten.

Ich war sehr misstrauisch, sicher war das (mal wieder) irgendwie ein Missverständnis, ein Hörfehler, wie auch immer. Ich kenne ja diese Dorffeste. Trotzdem fuhren wir dann mit einer Stunde Verspätung hin. Es eilte ja nicht, wir waren auch nicht hungrig, weder auf Kultur, noch auf Essen, denn wir hatten den ganzen Tag in Arouca zugebracht, der Stadt mit dem prächtigen 300 Jahre alten  Kloster (bei Porto) und mit dem Museum für sakrale Kunst. Welche unermesslichen Schätze hatten wir gesehen, welch wunderschöne Landschaft.

So kamen wir abends nach Mamarrosa, das ziemlich öde und menschenleer wirkte. Beim Gemeindehaus waren einige Herren versammelt, die wohl der Eröffnung beigewohnt hatten, aber auf dem Festplatz war eigentlich nichts los. "Wann beginnt denn das Fest?" fragten wir. Der offizielle Beginn war für 19 Uhr angesagt, jetzt war es 20.15 Uhr. Ein junges Mädchen sagte strahlend, das Fest-Essen beginne um 20 Uhr.

Wir gingen ins nächste Café und schlugen die Zeit tot, dann schlenderten wir über den immer noch still da liegenden Marktplatz, kauften Lose (jedes Los gewinnt!) und kamen so in den Besitz von wunderschönem feuerfesten Geschirr, so wie es Heinz und Harry jedes Jahr zum Haushalt beigesteuert haben, lauter Supergewinne.

Und endlich setzten wir uns an die liebevoll gedeckten Tische der Laienspielgruppe und ließen es uns schmecken: Caldo Verde, Carneiro mit grünen Bohnen, frisch gebackenes Maisbrot und wunderbarer Wein von Herrn Patos Kellerei. Die Frauen in ihren Bäuerlichen Trachten (meine Freundinnen und Schauspielerinnen meiner Geschichten) kamen immer wieder, uns zu fragen, ob es uns schmecke. Na, und wie gut! Ich habe wirklich noch nie so etwas gut Gewürztes und Feines und Zartes wie dieses carneiro gegessen, mit so viel Liebe "wie bei Muttern" zubereitet. Einfach köstlich!!

Inzwischen merkten wir, dass mit dem Essen wohl noch nicht alles vorbei war, und ein bescheiden hingelegtes Programmzettelchen verriet uns, dass noch ein Kulturangebot auf die Besucher wartete. Auf dem grünen Blättchen stand allerdings nur: O CALDO VERDE (Lurdes e Rosa Maria), O CARNEIRO (Fernanda, Ilda, Lucília) usw., so dass uns erst ganz spät ein Licht aufging: "Die spielen auf der Bühne die Szenen aus meinem Buch, glaub ich…"

Um 22.30 Uhr stand der Vollmond leuchtend über der Riesenbühne, die Sänger strömten nach vorne, die Technik wurde ausprobiert, ausgesteuert, dröhnend und ohrenbetäubend quietschend, die Mikrofone ausprobiert…

Das erste Lied aus 18 Kehlen erklang.
Danach, in gebührlichem Abstand, der durch Auf- und Abtritte äußerst unterhaltsam war, folgten solistische Darbietungen und Live-Musik (Keyboard, Saxofon, Klarinette, Bassgitarre).
Und nun wurde das bedeutende Theaterstück der Schriftstellerin Bárbara, "die hier unter uns weilt", angekündigt : "Die Zubereitung des Lammfleisches". Das Publikum freute sich besonders über die Frauen, wenn sie – wie im Drehbuch vorgeschrieben – einen kräftigen Schluck aus der einen und der andren Weinflasche nahmen: Szenen, die begeistern.
Es folgten 2 Gedichte (laut und gestenreich), ein Volkstanz, noch ein Gedicht und dann das amüsante Stück: "Die grüne Kohlsuppe" von Barbara Soffitte. (!)
Wir lachten uns kaputt. (Weniger über den Inhalt, der uns ja bekannt war, sondern mehr über die Nebenereignisse und Randerscheinungen und alle die witzigen Vorfälle, die drumherum passierten.) Und wieder hatten sie alle echten Requisiten mitgebracht und aufgebaut.

Dann schlossen sich an: ein moderner Tanz von 7 jungen Mädchen, ein Sprechquartett und das Bühnenstück "Die Gebete von Mütterchen Sãozinha".

"Mensch, Leute, ich werde hier aufgeführt!"

Die Szene ist rührend: Da sitzt Benilde auf der Bühne, puhlt Bohnen aus, seufzt und betet unaufhörlich ihren Rosenkranz ins Mikrofon: "Pai nosso" und "Ave Maria".

Es war ganz still auf dem Platz, und ich dachte: Das glaubt mir doch kein Mensch, ich glaube es ja selbst nicht! Spielen die mich hier auf der Bühne, kochen ihre alten Gerichte, wie ich sie so schön beschrieben habe, und sprechen ihre Gebete – auf dem Rummelplatz. Das ist doch ein umwerfendes Ereignis, das ist doch eine absolute Neuerung , das ist doch ungeheuerlich, was hier passiert!!

Christoph und Carla, ihr seid Zeugen, dass das wirklich passierte.

Der Vollmond ist ebenfalls mein Zeuge, dass am 30. 7. 2004 in Mamarrosa eine neue Zeit anbrach und dass es echt stimmt, dass das Buch  >"Der Portugiese ist der beste Liebhaber " oder Mein Casanova ist blau< hier die dörfliche Welt verän
dert hat.

"Dieses Buch hat uns dazu gebracht, uns auf unsere Wurzeln zu besinnen", sagte Rosinda, bat mich auf die Bühne und überließ mich dem Beifall.

Und weiter wird gebrutzelt und geschmort, wie es schon immer Brauch war: Am 31. Juli gibt es abends Dobrada und Soupa do Lavrador, und am Sonntag nach der Prozession werden Rojoes (Bratenstücke) zubereitet -  kommt und seht! Kommt und esst!

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