Ich denk, ich steh im Wald

Verfasst am: 20. Juni 2004 von Barbara Keine Kommentare

Auf der Fahrt durch den Kiefernwald zum Strand, da wo die großen Mimosenbäume stehen, fing unser Auto ganz merkwürdig zu stolpern an: es hatte vorne zwei Plattfüße.

Alle Mercedesfahrer sagen, das gibt es nicht und das kann nicht sein und darf nicht sein, es war aber leider doch so.

Wir blieben ganz gefasst, denn wir hatten 3 Trümpfe im Ärmel, wenn man das so sagen kann, denn eigentlich hat die spärliche Badekleidung bei solcher Hitze und bei dem Sonnenschein keine Ärmel. Aber unsere Pluspunkte waren:
1. der Hund, der wegen der Hitze nicht mitgekommen war, er macht sich nichts aus Erfrischungsbädern. Welche Beruhigung zu wissen, er lag zuhause im Schatten.
2. das Handy, mit dem wir – o Glück – die halbe Welt zu Hilfe rufen konnten.
3. der vielgepriesene 24-Stunden-Pannendienst der Firma Mercedes.

Was kann einem da noch Probleme machen?

Leider sagte die vielgepriesene deutsche Firma Mercedes, dass ihr Pannendienst-Netz in Portugal noch nicht ausgebaut sei, dass sie für die Reifen keine Garantie geben, dass sie die Telefonnummer der nächsten Mercedes-Werkstatt nicht haben und wir zusehen sollen, wie wir zurecht kommen.
Da ging Hagen zu Fuß zum nächsten Fischerdorf, um ein Telefon oder zumindest ein Telefonbuch zu aufzutreiben. Das Auto stand in der Sonnenglut neben der Straße auf dem Waldweg, nur manchmal donnerten einige Schwertransporte in einer dichten Staubwolke vorbei.
Da stand ich also.
Der Wald knisterte, die Pinienzapfen sprangen auf, die Borke riss, es raschelte in den trockenen Nadeln, es knisterte im Unterholz, die Zweige knackten. Die Hitze flimmerte. "Ich denk, ich steh im Wald."

Nach 1 Stunde kam Hagen mit einer jungen Frau, die er zufällig in dem ausgestorbenen Fischerdorf getroffen hatte, in deren Auto wieder. Paula war entschlossen, uns irgendwie zu helfen, und ging ganz energisch vor: "Zuerst  fahren wir mal zur Mercedes-Werkstatt nach Aveiro, inzwischen versucht meine Freundin Paula den Abschleppdienst zu mobilisieren und neue Reifen aufzutreiben."

Da in ihrem Auto nur für 2 Leute Platz war, knickte Hagen seine Beine zusammen, faltete sich ganz klein und legte sich in den Kofferraum, denn sie wollten mich freundlicherweise in diesem Wald nicht so allein – "ganz still und stumm" – stehen lassen. Paula brauste los, mit der linken Hand steuerte sie um die Ecken und durch den Verkehr, mit der rechten hielt sie ihr Handy und redete auf Paula ein. Bis zur Ankunft vor der Werkstatt hatten wir geklärt, dass Mercedes zwar den Autotyp kannte und sogar im Verkaufsangebot hatte, aber keine Reifen, dass überdies Mittagspause sei und dass sie uns nicht helfen könnten. Wir wurden gar nicht bis zum Empfang vorgelassen. Paula hatte weiterhin geklärt, dass ihre Freundin Paula uns kannte, wenigstens meine Bücher, denn sie arbeitet mit Deutschen zusammen als Sekretärin bei der deutschen Firma "Vulcano". Da waren wir ganz platt.

Wir fuhren noch zur größten Reifenfirma, die aber auch keine passenden Reifen vorrätig hatte, und ich begann an dem Konzept von Mercedes zu zweifeln, die für jeden Autotyp andere spezielle Reifen einsetzen, welch Schwachsinn.

Der Mißerfolg wurde gekrönt durch die gähnende Leere, die zur Mittagspause in allen Betrieben und in der sonnenheißen Stadt herrschte. Also hieß es warten, warten, warten, bis ein Fahrer erschien, der mit dem Abschleppwagen in den Wald zum entfernten Strand fahren würde. Natürlich nur unter der Bedingung, dass wir erst bezahlten, denn man weiß ja nie…

Mich holte die liebe Petra ab, las mich von der Straße auf und brachte mich zwischendurch mal nach Hause, beförderte auch noch die Putzfrau und 4 Gasflaschen und sicherte uns ihre treue Hilfe zu. "Sie ist ein guter Mensch", kommentierte meine Nachbarin diese Stelle in meiner haarsträubenden Erzählung. "Ein ganz guter Mensch", sagte sie mit feuchten Augen.

Hagen kam erst abends wieder, ohne Auto. Man konnte 2 Tage lang keine Ersatzreifen finden. Und als wir dann den Wagen abholten, waren nicht die vorgeschriebenen Reifen aufgezogen worden.

Was machen wir nun?
Mir fällt seltsamerweise nur ein: "Ich glaub, ich steh (immer noch) im Wald." Ich weiß gar nicht, wie ich drauf komme.

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