Portugal im Fußballstadium

Verfasst am: 12. Juni 2004 von Barbara Keine Kommentare

Als wir vor 14 Tagen ins Gelobte Land einzogen, hielt uns an der Grenz- und Zollstation zum ersten Mal nach dem EG-Beitritt ein Grenzbeamter in schmucker Uniform an. Wir erschraken richtig, mussten sogar ein Stück zurückfahren und guckten ganz erstaunt: Was will der denn plötzlich? Bloß, weil wir einen schönen neuen Mercedes haben?
Nein, boa tarde e bemvindo, er wollte uns begrüßen, fragte launig nach dem Woher ( Sind Sie Niederländer? oder gar:  Es um Hitler??= Zitat) und Wohin, freute sich, dass wir sein Portugiesisch verstehen, na und ob!, wünschte uns gute Weiterfahrt. Das fanden wir höchst erstaunlich- nach so vielen Jahren ist man doch schon fast ein einheimischer Portugiese.
Aber wahrscheinlich wollte der nur prüfen, ob wir Hooligans sind, folgerten wir, denn es fiel auf: Portugal erwartete Gäste zur Fußball – Europameisterschaft. Da stellten sie sogar einen Empfangschef an die Rezeption. Eigentlich hätten sie uns einen Begrüßungsdrink anbieten können nach der Fahrt durch das heiße staubige Spanien.
Quer über die Straße war ein großes Transparent gespannt:
WILLKOMMEN IN PORTUGAL, DEM FUSSBALLSTADIUM EUROPAS 2004

Wirklich, Stad i u m hatten sie geschrieben, gedruckt und wetterfest gemalt, daran war nichts mehr zu ändern.

Seitdem befinden wir uns also in diesem Stadium, dessen Eröffnung heute am 12.6.(Madleens Geburtstag) ist.

In meinem Dorf merkt man nichts davon. Die Kinder spielen zwar auch auf der Straße Ball. Mario Morgado hat eine Fahne, die portugiesische Nationalflagge, vorm Haus gehisst, bei César läuft der Fernseher und man sieht nur rot-grün, aber sonst  ist alles wie eh und je. Nein, noch stiller als sonst.

Die Männer des Dorfes sind nämlich mit ihren Fahrrädern nach Fátima gereist. 30 Männer per Rad als geschlossene (fröhliche) Expeditions-Gesellschaft.
Sie sind um 5 Uhr morgens aufgebrochen und waren mittags um 13 Uhr in Fátima angekommen, nach einigen Pausen und kurzer Rast. Dorindo folgte ihnen im Bus mit einem Haufen Gepäck, denn in Fátima wollen sie kochen und ein schönes Picknick veranstalten. Dorindo brachte den "ciclistas" also einen Herd, Kochtöpfe, Kartoffeln, Würste und Bohnen, als Fouragemeister und von den treusorgenden Gattinnen ausgestattet.

"Wollen sie da beten, damit Portugal Europameister wird?" fragen wir. Nein, sie fahren jedes Jahr um diese Zeit. Am 13. jedes Monats ist sowieso der große Tag der Erscheinung, da ist man ganz nah am Himmel dran, da ist ganz Portugal und die halbe katholische Welt dort versammelt, da ist echt was los! Da sind wir Männer aus Carregosa dabei!

Das Dorf ohne Männer schläft in der Sonnenglut. Keiner arbeitet auf den Feldern. Nirgendwo tuckert ein Trecker. Kein Auto fährt. Das ist unser "Abseits". (So heißt das Gedicht von Storm.)

" Es ist so still; die Heide liegt
im warmen Mittagssonnenstrahle…
die Kräuter blühn;der Heideduft
steigt in die blaue Sommerluft.

Kaum zittert durch die Mittagsruh
ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;…
- Kein Klang der aufgeregten Zeit
drang noch in diese Einsamkeit."

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