Gitarrenklänge

Verfasst am: 19. Mai 2004 von Barbara Keine Kommentare

Gestern sind wir zum Gitarrenkonzert nach Gerdshagen gefahren. Du weißt, in diesem mecklenburgischen Gutshaus, im Dorf "das Schloss" genannt, residieren Michael und Bettina Arndt, die das Gebäude mit großem Aufwand stilgerecht restaurieren und Konzerte und andere kulturelle Angebote zum Thema "Denk-mal an Kultur in Mecklenburg" veranstalten. Bettina kommt aus Salvador de Bahia, und man kann begeistert und heimwehkrank Boa tarde! rufen und Como estas? und unter stürmischen Umarmungen beijinhos verteilen.
Es war ein Abend mit viel Frühling in der Luft, die nach Erde duftete. Überall blühten Osterglocken, Tulpen und Forsythienbüsche.
Bettina, strahlende Gutsherrin, hatte Mühe, die vielen (50 etwa, und das bei einer Eintrittsgebühr von 8 Euro) herbeiströmenden Gäste unterzubringen. Sie hielt eine kleine Ansprache und sagte, dass sie und ihr Mann selbst nicht wissen, woran es liegt, dass so viele Gäste zu ihnen kommen. Aber wenn einer – vielmehr eine – so bezaubernd lachen kann, dann ist das doch selbstverständlich.

Das junge Ehepaar Niehusmann, ein Gitarrenduo aus Essen  von der Folkwangschule, spielte.
Als die ersten Töne erklangen, erschrak ich richtig wegen der ungewohnten Weichheit und Tiefe dieser Klänge. In meinen Ohren war diese Gitarrenmusik völlig fremd, neu, anders, samtig und überhaupt Oktaven tiefer. Ich war sehr überrascht.
Wie kam das?
Was war da anders?
Wie konnte ich das erklären?

Ach, ich hatte die portugiesischen Gitarren und die portugiesischen Melodien im Ohr…  Eigentlich habe ich ja immer nur portugiesische Guitaristas gehört, die auf höher gestimmten, mehrsaitigen, mit Drahtsaiten bespannten  - eben typischen portugiesischen Gitarren spielen. Meine CDs und Kassetten geben die portugiesische Gitarrenmusik wieder, die hatte ich einfach im Ohr drin. Verinnerlicht sozusagen. Das ist für mich "Gitarrenmusik" geworden. Dagegen klangen diese Konzertgitarren voller, weicher, samtiger, dunkler – völlig ungewohnt.

Später spielte das Duo auch "zu Ehren der Dame des Hauses" ein paar brasilianische Stücke, die unglaublich saudade machten. Wir hatten im Februar bei der Ausstellung  der Toscanabilder von Rolf Peter Hennes doch den André mit brasilianischer Gitarrenmusik dabei, und einer unserer Gäste rief damals ganz bewegt: "O ja, das ist brasilianische Musik, ich spüre es im Blut, mein Großvater ist Indianer, das ist meine Musik, mein Herz ist glücklich!" Der das rief, war Dr. José Machada Lopes, ein Archäologe, der auch Hippotherapeut ist, wir nennen ihn den Pferdeflüsterer und schmolzen völlig hin, als wir ihn kennenlernten. Natürlich reagiert in Mecklenburg niemand so spontan und emotional. Man stelle sich das einmal vor.

Das Niehusmann-Duo haben wir übrigens eingeladen, sich die originale Gitarrenmusik unserer Freunde auf dem Dorf ( die bei meinen Lesungen oder in Felix Perreiras Hoftheater auftreten) einmal anzuhören, das Quartett der Autodidakten, die so hinreißend und selbstvergessen stundenlang spielen und die Fadistas begleiten, deren Fados unvergleichlich echt und traurig und absolut authentisch sind.

Vielleicht kommen die Westfalen ja wirklich mal.

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