Umgangssprache

Verfasst am: 12. Februar 2004 von Barbara Keine Kommentare

Außer "Guten Tag, wie geht es?" (worauf man nicht antworten muss, es sei denn, man sagt in demselben süßen Tonfall ebenfalls "Danke, wie geht es?")  besteht die Unterhaltung hier im Dorf aus lauter einfachen Sätzen im Indikativ, dritte Person Singular Präsens.

Ich gehe wie jeden Nachmittag mit dem täglich müder und lustloser trottenden Hund die Straße hinunter zur Kapelle des Heiligen Gregorius. Jeder, der uns begegnet, sagt: "Gutentagwiegehtes? Die Senhora geht spazieren." Oder man sagt: "Der Hund geht spazieren." Oder auch: "Dona Barbara geht zu San Gregorio."

Man sagt: "Es regnet." Man sagt: "Die Sonne scheint." Man sagt: " Der Hund ist alt, der Hund ist mager, der Hund ist dick, das Wetter ist schön, die Senhora wandert, es ist kalt, die Senhora arbeitet nicht im Weinberg, der Trecker macht Krach, der Hund beißt nicht, die Bäume sind grün, der Weg ist lang, die Senhora geht jeden Tag spazieren, der Pastor spricht gut portugiesisch, der Pastor lebt schon lange im Dorf, das Dach ist neu, euer Haus ist blau, die Senhora weiß/kennt – was auch immer, der Hund frisst Gras, die Senhora findet Portugal schön, Portugal ist schön."

Von sich selbst redet man auch in der 3.Person Singular Präsens. Meine Nachbarin Maria sagt: "Maria ist alt, Maria fährt nicht nach Brasilien, Maria hat Schmerzen, Maria kocht heute grüne Bohnen…"
Und ihr Manuel sagt, wenn er überhaupt mal etwas sagt: "Manuel schneidet heute die Weinstöcke, Manuel macht heute Holz, Manuel fährt heute auf den Markt…"

Es ist eine sehr einfache Sprache, knapp und klar. Ohne doppelten Boden, ohne Hintergründigkeiten, ohne kränkende Spitzfindigkeiten. Einfache Wöter für einfache Sachverhalte. So und so ist es. Man stellt fest. Die Sonne scheint. Da weiß man, was man hat. Guten Abend.

Aber das bei einer so reichen, vielfältig schillernden Sprache wie dem Portugiesisch! Mir kommt die Sprache der Literaten immer so verschlungen und verwickelt wie der manuelistische Stil einiger Gebäude vor, Schnörkel, Zierat und barocke Überfülle von dekorativem Beiwerk. Statt eines zusammengesetzten Substantivs ein verschachteltes Gebilde aus Genitiven: statt Postamtsleiter = o Senhor Director do administração dos correios.
Allerdings gibt es andererseits auch statt der deutschen Kohlenbrennerhütte die portugiesische kleine schlichte "carvoaria".
Ich habe schon viel über diese simple Sprache im Dorf diskuitiert, die doch die Mutter aller Sprache sein soll – allein, ich kann das alles nicht so ganz ergründen.

Mein Text endet hier.
Die Senhora denkt nach.

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