Generalprobe

Verfasst am: 26. Dezember 2003 von Barbara Keine Kommentare

Die Hirten haben ein paarmal geübt, ob sie den Text vom letzten Jahr noch können. Sie sind die einzigen, die etwas zu sagen haben, was ganz dem wirklichen Leben der Menschen hier entspricht. "Das Volk an die Macht!"  

Und Maria und Josef haben ein,zweimal ihr schwieriges Lied von der Herbergssuche geübt. Sonst gab es da nicht viel zu proben, denn das Krippenspiel ist kein Theaterstück, es muss ganz natürlich sein, improvisiert werden und aus dem Herzen kommen. Was wäre, wenn Maria und Josef nach Bethlehem wandern und plötzlich haben da alle Leute auf typisch portugiesische Art völlig kreuz und quer ihre Autos geparkt, es ist kein Durchkommen, die Zuschauer drängen sich nah an die Krippe heran, ein Feuer mitten auf dem Platz verlagert den Brennpunkt des Geschehens auf seine Weise? Soll da Maria zu weinen anfangen oder etwa wieder zurücklaufen oder wie? Nein, die beiden wissen ganz genau, wie sie gehen werden, wie sie sich mühselig durchschlagen bis zum Stall, sie spielen ja nicht eine Rolle auf dem Theater, sondern sie stellen sich selbst dar, voller Überzeugung und im festen Glauben, dass Jesus geboren werden soll. Hier. IN dier Nacht. In diesem Dorf.

Und die Hirten ebenfalls, sie sind einfache junge Menschen und im Glauben an Gottes Liebe und an Marias gehorsamen Dienst erzogen worden. Sie wissen: es stimmt, was der Engel ihnen verkündet: "Freut euch! Ihr werdet das Kind in der Krippe finden, geht hin!" Und sie gehen hin, sie gehen jeden Sonntag hin, wie sie auch als Kinder jeden Sonntag zur Katechese gingen. Nichts anderes tun sie als das, was sie wissen und glauben. Das kann man nicht proben, das kann man nicht üben, bis es klappt. Die Hirten werden sich nicht abhalten lassen, zur Krippe zu gehen, auch wenn das Hirtenfeuer nicht brennt und nur beißender Rauch qualmt, auch wenn irgendeiner ihnen da Bänke in die Quere gestellt hat, ein paar Kinder herumlaufen oder Unvorhergesehenes passiert, was man auf der Bühne als "Panne" bezeichnen würde.

Das Krippenspiel ist keinTheaterstück, weil jeder sich selbst spielt, es gibt keine Bühne und es gibt keine "Pannen", denn alles, was sich in der Heiligen Nacht ereignet, ist richtig und muss so sein. Es ist echt, und es ergreift alle Menschen, die mit gläubigem Herzen zusehen und zuhören.

Dennoch wollten die Chorsänger einmal ihre Einsätze und ihre Vollzähligkeit und den bekannten Ablauf überprüfen. Wir hatten auch endlich einen Termin gefunden, an dem alle dabeisein konnten. Morgens nach dem Gottesdienst wurde bekanntgegeben, dass wir uns abends in der Kirche treffen wollten. Alle sollten pünktlich da sein.

Waren sie auch. Nur waren sie nicht willkommen, da gerade die Gruppe, die für das Schmücken der Kirche verantwortlich ist, mit dem Aufbau der Krippe begann und ganze Wagenladungen voll Moos und Zweigen, Lehmziegeln, Stechpalmen und Balken in die Kirche getragen wurden. Da war kein Platz für Maria und Josef, und es gab böse Blicke: "Müsst ihr uns so stören? Wir haben hier alle Hände voll zu tun." Der Teppich wurde aufgerollt, und die Chorleute wurden in die Schranken gewiesen: "Macht schnell, beeilt euch, wir brauchen den Platz."

Dorindito reparierte eifrig die Lichterketten für die Weihnachtslandschaft, probierte sie aus – Knall! Zisch! – die Sicherung war durchgeschmort. das Harmonium verstummte, wir sangen im Dunkeln auch gleich etwas leiser (was ich merkwürdig fand, aber was so merkwürdig gar nicht ist, weil wohl einige nicht mehr mitsingen konnten, da sie den Text nicht mehr vor sich hatten). Der Kurzschluss trat noch zweimal ein, die murrenden Schmückerinnen hatten sich in die Sakristei verzogen, alle Möglichkeiten, ein lebendiges Baby im Arm zu wiegen, wurden noch einmal von den Frauen durchgehechelt und – Graças a Deus! – Goreta brachte dann doch noch ihr kleines Kind, wir gaben als Ersatz für die fehlenden Engel Regieanweisungen, die jeder übermorgen wieder vergessen haben würde, wir sangen nur noch die erste Strophe jeden Liedes, und kaum hatten wir mit dieser "Generalprobe" aufgehört, wurden die Türen aufgerissen und Tische und weiteres Zubehör für die Weihnachtskrippe gebracht. "Weg da. Jetzt kommen wir!"

Erleichtert atmete Dona Maria do Céu auf, denn in ihr hatte 2 Stunden lang eine heftige Interessenkollision stattgefunden: sie ist einerseits eine engagierte Sängerin und hat fast alle Familienmitglieder als Teilnehmer beim Krippenspiel eingesetzt, andererseits ist sie die Hauptverantwortliche für den Blumenschmuck und wollte dieses Jahr mit Hilfe aller übrigen Familienmitglieder alle Krippenlandschaften der vergangenen Jahre übertrumpfen und die wunderschönste Krippe aller Zeiten aufbauen. Was für qualvolle Stunden hatte sie durchgestanden, sich zurückgehalten und den brennenden Arbeitseifer gebremst und allen beiden Parteien ihre Rechte zugestehen müssen! Endlich räumten die Krippenspieler und Sänger das Feld und die Krippenbauer konnten loslegen. Endlich konnte Dona Céu die Schmerzen der Ämterhäufung vergessen und den Weihnachtsfrieden in ihr Herz einziehen lassen.

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