Castanhada

Verfasst am: 20. Dezember 2003 von Barbara Keine Kommentare

Schon seit dem Martinstag hatten die Chorsänger davon geredet, dass sie am Freitagabend nach der Übstunde eine Castanhada machen wollten. Jedesmal neckten sie einander: "Hast du die Maronen mitgebracht? Hast du eine Flasche Geropiga dabei? Nicht wahr, du stiftest doch den Wein? Abgemacht, du bringst die Esskastanien mit!"

Esskastanien und Geropiga, der selbstgemachte süße portweinähnliche Traubensaft mit Schnaps, gehören zu einer Castanhada. Und ein schönes Feuerchen gehört dazu,  und dass man lange vorher schon davon redet, versteht sich von selbst.

Es geschah nichts.

Am letzten Freitag, nach der letzten Chorprobe vor Weihnachten, verabschiedeten wir uns, schlossen die Kirche ab und gingen hinaus in die laue sternenklare Nacht. Bei dem Schwätzchen draußen vor der Kirchentür kniete sich Arcelina plötzlich auf die Stufen, schüttete einen Beutel mit Esskastanien aus und schnitt sie an. Rafael half ihr dabei.

Alle blieben stehen und schauten zu, erklärten auch, dass man das ganz anders machen müsse, und fragten nach den Flaschen Geropiga: "Hast du deine 5-Liter-Flasche dabei?"

Inzwischen kam Rosa mit einem Papiersack voll Piniennadeln angelaufen: In der einen Hand hielt sie ihr Gesangbuch, in der andren den Sack. Schmiss ihn hin und kam mit einem Arm voll Brennholz wieder.

Dorinda stritt sich derweil mit Cidalia und Eugenio, wo auf dem Platz vor der Kirche nun das Feuer gemacht werden sollte, setzte sich über deren Einwände hinweg und  schüttete die Nadeln auf eine freie Stelle auf die Erde, die ihr günstig erschien. "Guck mal, so macht man das", erklärte sie, "eine Schicht Nadeln, und wenn die schön runtergebrannt sind, schütten wir die Maronen darauf und decken sie mit einer Schicht Nadeln zu."

Neben der Feuerstelle für die Kastanienrösterei wurde ebenfalls Brennholz aufgeschichtet und in Brand gesetzt, das gab schnell ein tolles Feuer, in das Rosa zwei Bündel mit Rebenzweigen warf. Der wunderbare Weihrauchduft zog über den Platz. Marco und Rafael schleppten Bretter und Balken für dieses Lagerfeuer herbei und nahmen einen Anlauf, um über die lodernden Flammen zu springen. Sie kreischten vor Freude und wiederholten ihre Sprünge, die immer kühner wurden.

Die Maronen platzten auf. Die ersten wurden probiert, waren aber noch nicht gut, wie Rosa meinte. Also musste noch mehr Feuer gemacht werden. Die Pappbecher mit Wein kreisten. Dorindo kehrte die schwarzen Maronen auf ein Stück Wellblech und legte es in die Glut des Lagerfeuers. Dort sollten sie kurz schön weich garen. Danach wurden die Esskastanien wieder liebevoll in die heiße Asche der Piniennadeln gebettet. Dorinda schüttete ein Kilo grobes Salz darüber.

Sie konnten alle so toll improvisieren, hatten so schnell und unkompliziert das Feuer gemacht und die Maronen geröstet und lachten und redeten fröhlich durcheinander. Der Chorleiter fuhr mit seinem Auto nahe an die Feuerstelle, öffnete seine Autotür und beschallte die  Maronen-Röster mit flotter portugiesischer Tanzmusik, die allen in die Beine fuhr. Sie tanzten um die Feuerstellen herum, tranken, lasen die Maronen auf, puhlten und aßen sie,  schenkten einander den Geropiga ein, der so schön warm machte, lachten über ihre schwarz verrußten Hände und begannen zu singen:
"Serafina, komm mal runter,
hier steht dein Liebhaber,
der Mond scheint so schön
und ich kann ohne dich nicht sein."
Und lachten über dieses harmlose Liedchen und waren so glücklich.

Glückliche Menschen bei einer castanhada.

Weißt du jetzt, was Glück ist?
Kannst du wohl ahnen, wo du es findest?

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