Gottes Wegbereiter

Verfasst am: 8. Dezember 2003 von Barbara Keine Kommentare

Wie ganz anders ist die portugiesische Adventszeit hier auf dem Dorf.
Es gibt keine grünen Tannenkränze mit roten Kerzen, es gibt keinene Herrnhuter Stern, es gibt keinen Tannenduft und keinen Adventskalender, und "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit" singt niemand. Wir können ja auf "Leise rieselt der Schnee" verzichten, aber schwerlich auf die vier Adventkerzen.

Dennoch sind die Menschen hier adventlich gestimmt, sie sind Wartende im neutestamentlichen Sinne. Man braucht sie nicht zur Geduld und zum Durchhalten zu ermahnen, wie es der Jakobusbrief für den 2. Advent tut:
"Meine Brüder und Schwestern, lasst euch nicht entmutigen, und wartet geduldig auf den Tag, an dem der Herr kommt.
Muß nicht auch der Bauer mit viel Geduld Sonne und Regen abwarten, bis er im Herbst die Ernte einfahren kann?
Auch ihr müsst geduldig sein und dürft nicht mutlos werden, denn der Herr kommt bald. "(Jak. 5, 7-8)

Als Portugiesen praktizieren die Menschen hier schon immer die Geduld in vollkommener Weise – paciência als "Königin der Tugenden", sie sind ewig Wartende. Und als bäuerliche Menschen lassen sie sich völlig vom Rhythmus der Natur und vom Lauf der Jahreszeiten bestimmen und bearbeiten in Geduld und auf die Ernte hin ihre Felder. Ich habe schon oft bewundert, wie die Frauen hier das Weihnachtsfest vorbereiten, wie sie genau wissen, wann sie backen, schlachten, Wäsche waschen, den Bacalhau wässern und die Trockenfrüchte kaufen müssen.

Voller Anteilnahme übten wir die Liturgie für den 2. Advent und kritzelten den Psalm auf, den der Tonleiter diktierte:
Aleluia! Bereitet dem Herrn den Weg, bringt in Ordnung, richtet auf, biegt gerade seine "veredas"!
"Was bedeutet das Wort veredas? Was heißt veredas?" fragten wir und wollten wissen, ob das dem deutschen Adventlied entspricht: "Bereitet doch fein tüchtig den Weg dem großen Gast, macht seine Steige richtig…"
"Also, was sind veredas?" fragten wir, und keiner konnte das Wort erklären. Der Tonleiter zuckte mit den Schultern und sagte: "Veredas sind veredas", und die andern guckten wirklich ratlos und überfordert, weil das Wort nie in ihrem Wortschatz vorkommt. Veredas gibt es nur noch in der Bibel und in den antiquierten Worten der Kirche.
Veredas, sagt das Wörterbuch, sind Fußpfade, schmale Wege.
Und veredas gibt es nicht mehr, die veredas hat man hier endgültig in Ordnung gebracht, begradigt, verbreitert und asphaltiert
Ach ja, seit die EU den Straßenbau so gefördert hat und für die UEFA  2004 die schönsten Asphaltstraßen gebaut werden, gibt es tatsächlich in Portugal keine veredas mehr. Vielleicht noch in den Bergen oder im vergessenen Hinterland. Aber zu unserem Dorf gelangt man nicht mehr über veredas, sondern über breite Straßen. Und du wirst es nicht glauben, statt der veredas-Fußpfade zu unserem Dorf gibt es jetzt 7 neu gebaute Betonbrücken. Über 7 Brücken muss der Herr jetzt gehen, wenn er tatsächlich in dieses Dorf kommen will. So wunderbar hat man ihm hier den Weg bereitet. Aleluia!

Eine Antwort verfassen