Der Gott der Reichen

Verfasst am: 9. November 2003 von Barbara Keine Kommentare

Ein Feiertag. Wir gehen zu viert zur Messe. Es ist ein trüber Morgen. Das Dorf liegt ganz still da. Auf einem Feld in der Nachbarschaft der Kirche arbeitet der Bauer Vigilio. Er hackt und schuftet und schwitzt.

Meine Nachbarinnen rufen einen Gruß hinüber.
Er richtet sich auf und sagt ebenfalls laut: "Bom dia. Wie geht es?" In einem Atem.

Der Senhor Vigilio spielt eine wichtige Rolle im Café. Dort hat er das Sagen. Alle anderen Männer hören ihm zu. Das liegt nicht nur an seiner gebieterischen Art und seiner lauten Stimme, sondern auch an seiner Schlauheit, mit der er immer an Geld rankommt. Wie alle älteren Leute hat er nur 4 Jahre die Grundschule besucht, liest keine Zeitung und kein Buch, hält nichts von Priestern und hat immer Recht. Er ist die "öffentliche Meinung" und der Stimmungsmacher.

"Bom dia", sagt Hagen. "Du bist sehr fleißig."

"Klar", sagt Vigilio, "muss ich ja. Ich muss immer arbeiten, denn ich habe keinen reichen Vater."

"Doch",  ruft Hagen und zeigt kurz zum Himmel hinauf, "wir haben alle einen reichen Vater."

Die Frauen kichern und freuen sich über diesen dezenten Hinweis.

Aber Vigilio antwortet trotzig: "Ach was, Gott ist nur für die Reichen da. Ich muss arbeiten." Und er hackt mit doppelter Wut in die Erde.

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