Im Wartesaal zum großen Glück

Verfasst am: 17. Oktober 2003 von Barbara 1 Kommentar

Am Samstag war in der Hauptkirche im Nachbardorf eine Hochzeit, bei der wir als Chor gesungen haben. Wir hatten die Liturgie vorher eingeübt, Psalm, Sanctus und Friedensbitte, aber auch schöne flotte Lieder, vor allem die Ohrwürmer, die bei keiner Hochzeit fehlen dürfen.

Bevor man zur Kirche aufbricht, treffen sich alle zum Frühstück. Wir waren auf dem Hof des Bräutigams eingeladen, um Spanferkel zu essen. Wer kann am Samstagmorgen vor demm Gottesdienst eigentlich Spanferkel herunterkriegen? ?

Die Trauung sollte um 11 Uhr stattfinden.

Langsam, sehr langsam trafen die Sänger ein, dann erschien die Mutter des Bräutigams, Arm in Arm mit diesem, die Mutter nahm Platz und ihr Sohn stellte sich vor die Stufen des Altars. Nach und nach kamen dann auch alle anderen Gäste.
Als die Braut hereinschwebte, erhoben sich alle. Es  war eine schöne junge, sehr große, schlanke Frau in einem schulterfreien eleganten Kleid, das hinten mit Hunderten von Knöpfen verziert war.

Der eher bäuerliche Bräutigam mit frischen Wangen und blanken Augen blieb ohne jedes Lächeln neben der holden Schönen, die keine Bewegung und keine Spur von Glück oder Aufregung zeigte.

Die Glocken hatten schon lange geläutet, im Chor wurde getuschelt. Der Priester kam nicht.

Das Brautpaar stand regungslos und geduldig am Altar, die Kirche war inzwischen rappelvoll, wir sangen immer mehr Eingangslieder, das Harmonium spielte zum dritten Mal (automatisch) den Hochzeitsmarsch, bloß der Padre kam nicht.

Das Brautpaar stand 1/2 Stunde still und geduldig vor dem Altar.

Der Priester kam tatsächlich erst nach 30 Minuten, er hatte sich, da er die Vertretung für den erkrankten Priester war,  im Termin geirrt, entschuldigte sich knapp und führte dann die Trauzeremonie nach uraltem Ritus ohne jede persönliche Beteiligung durch.

Die Braut lächelte nicht und bewegte sich nicht.
Das Blumenstreumädchen stand artig daneben und stand und stand.
Die Gemeinde rückte und rührte sich nicht, manche sahen etwas müde und verloren drein, weil alles so lange dauerte.

… und keiner murrte, weil es ja wohl Gottes Wille war.

Eine Antwort

  1. Barbara schreibt:

    Dieser Eintrag ist der Text
          Nr. 100

    Aber da wir ja nicht nummerieren und zählen und auflisten, weil das gar nicht zum Dorfleben passt, wo die Tage und Jahre gleichmütig dahin fließen, haben wir das erst heute rein zufällig bemerkt.

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