Leseabend

Verfasst am: 21. August 2003 von Barbara Keine Kommentare

Lieber Claudio!

Als in den Sommerferien meine Übersetzer (!) in Portugal waren, planten wir natürlich Literaturabende und Vorlesestunden mit ihnen, um der portugiesischen Zuhörerschaft den Genuss dieser wundervollen Literatur im Originalton zu verschaffen.

Der Abend, an dem Heinz dem großen Familienclan von Dorindo die Abschnitte aus dem "Portugiesischen Tagebuch" vorlesen sollte, die ihn und seine Söhne betreffen und wo er und alle Mitglieder seiner Familie namentlich benannt sind, dieser Abend fiel ganz anders aus als geplant. Zuerst einmal fiel er nämlich ins Wasser, nein, genauer gesagt in Beton oder in schwimmenden Estrich, denn der tüchtige Dorindo hatte wegen der guten Wetterverhältnisse beschlossen, just an diesem Abend länger auf dem Bau zu bleiben und den Fußboden zu gießen. Das war vordringlicher als unsere Lektüre.
Dass an diesem Abend dann doch noch illustres Publikum in unser Dorf kam und unser Haus sogar fand, obwohl die Straßenbeleuchtung ausgefallen war, habe ich ja schon an anderer Stelle erzählt (siehe "Leonor" in BrazilStory).

Verschieben konnten wir diese erste Veranstaltung mit Heinz wegen "Terminschwierigkeiten" – der Urlaub ging schneller zu Ende als Dorindos Bauarbeiten – leider nicht.

Also planten wir einen Literaturabend mit Célia. Wir planten und planten und einigten uns dann auf ein Treffen in unserer GALERIA LUAZUL, zu der wir Gäste von nah und fern einluden. Der Tisch war gar lustig von der erfindungsreichen Tante Edith dekoriert worden. Sie hatte aus den riesigen Zitronen lauter lachende Schweinchen gebastelt, die nun zwischen dem Immergrün saßen, frisch und zitrisch dufteten und grinsten.

Die Vorlesereihe (auf portugiesisch) eröffnete Célia. Sie saß wie auch die nachfolgenden Vorleser am Tischchen unter der Leselampe, und wir hörten alle gebannt zu. Das, was sie einmal übersetzt hat, ist ja gewissermaßen ihr eigener Text, – ich lausche jedesmal atemlos: es hört sich für meine Ohren ganz anders und doch so bekannt an.

Weißt du, es sind manchmal Textstellen dabei,  Geschichten und Erlebnisse, die ich auf portugiesisch hörte und für mich ins Deutsche übertrug und aufschrieb und die dann Célia oder Heinz wieder in die portugiesische Sprache übersetzten. Ein ganz merkwürdiger, hochsensibler Vorgang, wie ich finde. Aber dank meiner tollen Collaborateure, so würde man die Mitarbeiter in Portugal nennen, steht dann tatsächlich am Ende meistens wirklich das geschrieben, was ich erfahren, beobachtet und aufgeschrieben hatte und weitergeben wollte.

Die Lehrerin Isabel und Célias begabter Neffe spielten ein kleines Stück für 2 Personen: "Es ist nie zu spät für die Liebe" (Autorin Isabel), zwischendurch wurde auch gesungen, und alle Gäste ließen spontan ihre Vorlese-Stimme hören – Cristina und Anabela und die Freunde aus Bebedouro.

Und da ich so gerne einmal einen echten Portugiesen hören wollte, wie er die Erzählung "Der Portugiese ist der beste Liebhaber oder Mein Casanova ist blau" (als Betroffener) vorliest, wurde der Schwager ans Lesepult gebeten, wo er leicht überrascht und befremdet – zum ersten Mal, wie es schien – die erstaunlichsten Dinge über seine Landsleute erfuhr und vortrug. Seine Stimme und seine Art zu lesen sind sehr angenehm. Wir lauschten hingerissen und amüsierten uns wie er selbst über die Formulierungen, die er schmunzelnd und erstaunt, so mit einem kleinen Fragezeichen versehen, vorlas. Seine Frau, seine Schwägerin, sein Sohn kicherten vergnügt mit, wenn er mitten im Text  unterbrechen und seiner Verwunderung Ausdruck verleihen musste, und ich wischte mir begeistert die Tränen vor Lachen. Ich muss schon sagen: Das war ein toller Leseabend. Und besonders diese Geschichte, von einem der nettesten Portugiesen – also authentisch, total authentisch! – vorgelesen, ein absoluter Höhepunkt!

"Welch schöner gelungener Abend!"
"Das wiederholen wir bald!"
"Das machen wir demnächst wieder!"
Alle sind eingeladen! Kommt!

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