Krippenspiel 2002

Verfasst am: 28. Dezember 2002 von Barbara Keine Kommentare

Lieber Claudio,

also, wir hatten ja nach der Generalprobe – die einzige Probe, zu der der Chorleiter sich spät abends und äußerst schlecht gelaunt und ablehnend bequemte – gesagt: "Das war das letzte  Mal, dass wir beim dörflichen Krippenspiel alles selber machen. Wir werden das nicht mehr so geduldig und unermüdlich vorantreiben, es läuft sicher auch von alleine. An die Chaoten und besonders an die Miesmacher können wir uns einfach nicht gewöhnen, jetzt wird die kleine Gemeinde das sicher selbst auf die Beine bringen." Hauptproben sind wohl ohnehin immer schrecklich, besonders solche, zu denen die Mitspieler gar nicht erscheinen, bei denen keiner sein Gewand anprobieren will, die Sänger fehlen, der Text nicht sitzt, alle nur albern sind und dummes Zeug machen…

"Na gut", sagten wir uns, "es ist ja kein Theaterstück, es ist ja kein trainiertes Ensemble, es soll ja vor allem Verkündigung für das Dorf sein, die Weihnachtsgeschichte für alle, die nie in die Kirche kommen, und überhaupt – es ist ja Gottes Geschichte, was sollen wir da bang oder beleidigt sein, wenn es so aussieht, als interessiere sich keiner dafür. Irgendiwie wird es die Herzen schon erreichen."

Der Stall von Bethlehem wurde fertig,  mit sehr schönen Ställen für die Tiere, das Wetter war wunderbar wie im Frühling, mild und warm und trocken. Die Grippekranken waren plötzlich gesund, es senkte sich Frieden über Mensch und Dorf. Die Kuh Carece – das ist die schönste Kuh von ganz Portugal, sie wird täglich zweimal gereinigt und gebürstet, sehr geliebt und gestreichelt, es ist Rosas Kuh, ja, Rosa von Morais -  kam nach dem Melken in den Pferch, dazu das Schaf, die zwei Zicklein, zwei Gänse, ein bunter Hahn und ein Huhn.
Kurz nach 22 Uhr brachten Günter und Petra die zwei Eselchen.

Das Feuer  war schon angezündet, und einige Menschen standen herum und guckten mit großen Augen, was da noch alles kommen und geschehen würde. Und o Wunder, es geschah sehr viel, die Mitspieler kamen alle ganz munter und fröhlich an, ernst und gefasst und freundlich, der Dorfplatz füllte sich. Das Baby Lucas kam und mit ihm der große Familienclan von Dorindo. Dorindos Söhne und deren Frauen, Kinder, Eltern, Schwiegereltern – alle von weihnachtlichem Ernst erfüllt. Es kam der Priester aus dem Nachbarort mit einer wundervoll (kitschig mit Rosen und Gold und der Krippe) bestickten neuen Stola, die Glocken läuteten, die Christnacht brach an.

Nach der Begrüßung und den Lesungen, dem gemeinsam gesprochenen Vaterunser und den ersten schwungvollen Liedern las Clara (Benns "Nausikaa) die Weihnachtsgeschichte, Maria und Josef begaben sich auf die Herbergssuche und sangen an verschiedenen Plätzen ihr Lied "Wer klopfet an? O zwei gar arme Leut".

Die Hirten traten auf,  Dorinda wieder im Strohumhang, Alexander und Carlitos und der kleine David, – und sie sprachen laut und sicher und gestenreich ihren Text – auswendig!!!
Wirklich, total auswendig.
Und laut.
Sie wärmten sich am Feuer, sie wanderten zum Stall, sie beteten das Kindlein an, das mit kugelrunden blanken schwarzen Augen  umhersah und den lieblichen  Gesang gerne zu hören schien: "O menino esta dormindo…"

Übrigens schienen alle Menschen so andächtig und atemlos da zu stehen und zu lauschen. Alle verfolgten mit großen Augen, was geschah. Und sogar die fünf Bengel, die wir in Engelskleider gesteckt und mit einem Goldband verziert hatten , saßen ganz still mit gefalteten Händen da und verfolgten die Geschichte, als geschehe sie in dieser Nacht zum ersten Mal.

Dann zog Renato mit dem Stern die Straße daher, gefolgt von den Königen, die sich mühsam eine Bahn durch die riesige Menschenmenge bahnten. Der Stern funkelte so, weil Hagen ihn mit Spiegelfolie beklebt hatte. Dorindo sah sehr majestätisch aus, jeder Zoll ein König, auch Nuno, der erstmalig zum König avanciert war, stapfte tapfer nach Bethlehem. Die Herzen flogen natürlich dem Schwarzen zu. Nelson – wahnsinnig aufgeregt, übereifrig, begeistert, spielt seine Rolle mit Hingabe.

Und nach dem Segen und den Weihnachtswünschen des Padre zogen sie alle, vornean das traute hochheilige Paar – zum ersten Mal klappte es! – gesittet wieder ab, ohne wie sonst in ihren Prachtgewändern und Engelshemden in der Menge herumzutoben.

Da war wirklich ein Wunder geschehen, an das wir bei den Proben schon gar nicht mehr geglaubt hatten: Und ich denke, das kam daher, weil diese Dorfgemeinde so ganz uneitel und fromm wirklich das Kind in der Krippe liebt und verehrt. Sie spielen nicht Theater, sondern sie leben das, was sie glauben, und sie sind mit ganzem Herzen dabei.

"Und nächstes Jahr machen wir es wieder!" sagten sie.

Ich hab Hagen nur angeguckt.

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