Otorrinolaringologista

Verfasst am: 7. November 2002 von Barbara Keine Kommentare

Lieber Claudio,
ein Grund, im Ausland gesund zu bleiben, ist zweifellos sprachlicher Art. Denn wenn du nach dem Wellenbad im Ozean, nach dem Sandsturm in den Dünen und nach der letzten Flugreise plötzlich verstopfte Ohren hast und einen HNO-Arzt, einen Hals-Nasen-Ohren-Spezialisten, aufsuchen möchtest und verzweifelt nach dem richtigen Wort dafür gesucht hast, ist noch lange nicht sicher gestellt, ob du dieses tolle Wort auch richtig aussprichst. Und wenn du es nicht richtig aussprichst, versteht dich keiner und wird dir niemand einen Rat geben können.

Wir haben mal am Anfang unseres Aufenthalts das Wort für Apotheke =  FARMACIA falsch betont, nämlich auf dem  i, und  keiner im Dorf konnte uns erklären, wo selbige existiert und wann selbige geöffnet sei. Erst  als wir wiederholt und in allen Sprachen Europas nach der PHARMACIE schrieen, begriff einer und sagte: "Ah, sim, sim, farmácia, farmácia!!" Also, bevor man wegen falscher Betonung sterben muss, beschließt man, am besten jede Krankheit schon im Keim zu ignorieren und überhaupt: einfach gesund zu bleiben.

Nun suchte ich also einen Ohrenarzt.
Eine ( wieso eine? – weibliche Endung? – wie seltsam) oder einen OTORRINOLARINGOLOGISTA.
Das Wort ist mir geläufig aus dem Theaterstück "Universos e Frigoríficos" von Jacinto Pires, wo es mehrmals laut und mit rollendem rrr auf der Bühne gesprochen wird, in  Erinnerung an den Beatle Ringo Starr.

Ich erzähle dir jetzt nicht die ganze Geschichte, die sowieso kein happy-end hat.
Kurzum, ich fand weit und breit keinen "otorrinolaringoloschista".

Im Posto da Saúde konnte ich als Ausländer nicht  wie alle portugiesischen sozialversicherten Mitbürger behandelt werden, da muss ich mir selber einen Privatarzt suchen, dem man zuerst einmal 50 oder 100 Euro auf den Ladentisch legt, bevor er nach dem Namen und den Beschwerden fragt. Der HNO-Arzt in der Nachbarstadt, den wir endlich gefunden hatten, praktiziert schon seit langem nicht mehr, und der Facharzt in der Hauptstadt war fast nie anwesend, weil er sozusagen ambulant in den Kliniken und "Gesundheitshäusern" (hier heißt das ja Casa de Saúde) arbeitet und abends ab 17  Uhr oder 19 Uhr  montags dort, dienstags dort, mittwochs ganz woanders anzutreffen ist. Da sitzen dann geduldig wartende Patienten ohne Ende bis spät in die Nacht im Vorraum. Und ich hatte keine Aussichten, jemals dranzukommen und therapiert zu werden.

Die Menschen vom Lande können mit solcher Engelsgeduld warten…

Jedenfalls beschloss ich nach 3 Wochen Herumreisens und Wartens, lieber schnell wieder von allein oder dank meiner Selbstheilungskräfte gesund zu werden. Du weißt ja, was ich mit diesen Selbstheilungskräften meine.

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