Mondlandschaft

Verfasst am: 6. August 2002 von Barbara Keine Kommentare

Lieber Claudio!

Wir besuchten ein Dorf in der Beira Alta, hoch in den Bergen an der spanischen Grenze. Die Häuser sind meistens sehr einfach aus grauen Schieferblöcken gebaut, unten der Stall und darüber eine  Wohnung mit Küche und Schlafstube. Winzige Fenster und schwere Holztüren. Vor dem Haus eine Schieferplatte als Bank.
Da sitzen ein paar alte Männer und dösen in der Sonne. Manchmal sitzt auch eine Alte da und häkelt oder näht  fleißig, ohne aufzublicken.
In der Ferne sieht man die kahlen Berge – eine Mondlandschaft.
Krater.
Felssteine.
Keine Vegetation.

Einen riesigen Stausee wollten sie hier bauen, nahmen den Menschen ihr Land weg, ohne zu bezahlen, errichteten Seilbahnen und Betonstützen für kühn erdachte Brücken, konstruierten Straßen und  Flusssperren, bis plötzlich kein Geld mehr da war, die Pläne platzten und die Regierung das Projekt  fallen ließ.
"Was macht ihr mit den Lastwagen, die da oben auf dem Berg stehen?"
Die Männer zucken die Achseln. "Nichts. Die bleiben da stehen. Die stehen schon lange da."
Alles steht und liegt schon lange da, Räder einer Seilbahn, Wrackteile eines Sesselliftes, Betonpfosten, Schrott, Baumaterial…
Eine Mondlandschaft mit den Trümmern einer gescheiterten Expedition ins All.
Eine verlassene Raumfahrtstation auf einem fernen Planeten.
Und tief unten rinnt das Flüsschen wie eh und je.

Aber um das Dorf herum weiden Schafe, im abgetrennten Pferch ein Esel,  es bellen Hunde, die Hitze flirrt, Sonnenwirbel, Zikaden unter dem Ölbaum,
"Meide den Kreuzweg außerhalb des Dorfes!"
"Warum, was gibt es da?"
"Frag nicht, aber meide ihn. Da sind Energien… – wir reden nicht darüber. Geh bei den Mandelbäumen entlang."
Die Mandelgärten sind mit Felssteinen eingezäunt. Das muss wunderschön sein, wenn die Bäume blühen und mit ihrem weißen Schnee die Hänge bedecken. Wir kommen im Februar wieder, ja?

Kennst du die Legende von den Mandelbäumen, die für die heimwehkranke Prinzessin aus dem Norden angepflanzt wurden und in der Blütezeit im Frühling die Sehnsucht nach dem Schnee in der fernen Heimat stillten?

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