Paradiesgärten

Verfasst am: 2. August 2002 von Barbara 2 Kommentare

Lieber Claudio,
wenn du an einem Sonntagnachmittag in mein Dorf kommst, findest du vielleicht ein paar Hunde, die wie tot  auf der Dorfstraße liegen und schlafen, oder ein paar alte Männer, die müde und reglos auf der Stufe vor dem Haus sitzen, einen ausgebleichten Hut auf dem Kopf, – "alles schläft, einsam wacht nur das traute hochheilige Paar…", nein, die Heiligenfiguren in der Kirche schlafen natürlich auch, denn ein Dorf, das schläft, sündigt nicht, da braucht man nicht einsam zu wachen.

Und wo sind die Leute alle?
Sie sind am Strand, "na praia", da sitzen sie Kabine neben Kabine, Sonnenschirm neben Sonnenschirm, Badetuch neben Badetuch, schöne braungebrannte junge Körper und mit den Jahren gereifte Leiber (Waschbrett- und Waschtrommelbäuche).

Es gibt aber auch eine Gegenrichtung: Wer nicht an den Strand geht , flüchtet in die schattigen Parks und Wälder, dort sitzen die Portugiesen zwischen Farnkraut und Piniennadeln und picknicken. Ich weiß nicht, warum das Essen im Freien mit Ameisen, Eukalyptusblättern und Plastikgeschirr soviel Reiz hat. Aber dass die schattigen Haine mit kühlenden Brunnen ein beliebter Aufenthaltsort sind, kannst du bestimmt nachfühlen.

Wir waren im Park von Buçaco und ergingen uns unter den Farnbäumen und uralten Koniferen, die die Mönche seit 1628 (Unbeschuhte Karmeliter, weshalb die Jesusstatue in einem kleinen Kapellchen auch nur eine einzige Ledersandale anhat – ?) da zusammengetragen und angepflanzt haben. Herrliche Bäume, Araukarien und Pinien und andere überseeische Wunderdinge, und der Boden ist bedeckt von der satten  grünen  Tradescantie. Und überall plätschert ein Bächlein, murmelt eine Quelle, tröpfelt es in einer Grotte. Was Wunder, dass die Menschen sich dort erlustieren.

Die Städter ebenfalls erlustieren sich in den Parks und Grünanlagen ihrer Stadt. Aveiro hat solch einen Paradiesgarten, Lissabon ist berühmt für den Botanischen Garten,  und  in Porto ergeht man sich im Park des Kristallpalastes. Das ist eine Oase der Stille und des Liebesglücks. Die Paarungslust der Enten, Hähne, Gänse, Pfauen und Schwäne, die da munter herumspazieren, scheint sich auf die jungen Pärchen zu übertragen. Ich wagte schon gar nicht mehr hinzuschauen, wenn in einem moosigen Winkel (locus amoenus, Tristan und Isolde) ein engumschlungenes Paar – , doch manchmal war es nur eine verwitterte Steinfigur, eine Frühlingsgöttin mit einem  Krug, aus dem schon lange kein Wasser mehr sprudelte, Amor und Psyche.

Welch ein paradiesischer Garten. Paradiesisch hoch über dem schimmernden Douro gelegen,  Urwaldbäume und Quellen, Vogelgezwitscher und Pfauengeschrei, heitere Ländlichkeit durch Taubengurren, Hühnergackern, Hündchen,  - Kinder, die ein uraltes Spiel spielen, wo man Holzscheiben gegen einen Holzpflock wirft. "Was spielt ihr da?"  "Malhão", sagten sie, … o malhão, malhão… Paradiesischer Friede, Wasser, überall Wasser, agua de nascente -

und dazwischen diese alten Pflanzen, die ich noch kenne (ach, das ist ja Salomonsiegel! sieh mal!), weil unsere Biologielehrerin mit beschwingtem Schritt und Pflanzenbestimmungsbuch durch die Wälder an der Ilmenau strebte, eine Klasse mit 56 Schülern hinter ihr her, glaubst du mir das?, es waren wirklich 56 Schüler auf der Suche nach Aronstab und Salomonsiegel. Und die Lehrerin hieß Fräulein Frühling und trug ein blaues glockig geschnittenes Kleid: " Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte…"

Harry, mit dem Lageplan des Parks in der Hand, entdeckte den Garten der Kräuter und Gewürze, den Jardim Aromatica, zu dem der Zutritt aber verwehrt oder irgendwie beschwerlich und unmöglich war, vielleicht war es auch ein Druckfehler, denn plötzlich standen wir nicht im Aromatischen Garten, sondern in der Quinta Romantica vor dem Casa Romantica, und das erzähle ich dir morgen.

2 Antworten

  1. Harry schreibt:

    Liebe Barbara,
    gerade wieder zurück in Berlin denke ich an diese Oase der Ruhe mitten in der Stadt Oporto. Hier ist es gar nicht einfach, Muße zu finden. Schwerer Regen plattert vom Himmel und es heisst "Land unter". Mit einem Plan durch Portugal zu gehen ist sicher ganz verkehrt, außer man sucht nichts Bestimmtes (ich habe an der Stelle in deiner mail gerade laut gelacht). Dann kann ein Plan ganz hilfreich sein, weil er einen auf Pfade bringt, die man sonst vielleicht nicht betreten hätte. Und so war dieser Blick auf den Douro vom museu romântico aus doch wie ein Moment der Ewigkeit… der stillen Harmonie wie man sie auch etwa in einem chinesischen Garten finden kann. Der Mensch schafft sich einen Ausblick auf das Paradies zurück und wenn er es mit ganzer Liebe macht, dann mag es auch gelingen. Wie bei Kleists Marionettentheater: (frei zitiert) Da wir vom Haupttor des Paradieses verjagt sind und Gebriel mit dem Schwert davorsteht, müssen wir unseren Weg durch die Welt machen, um dann vielleicht den Hintereingang zum verlorenen Paradies zu finden. Meinst du der könnte sich in Portugal befinden???

  2. Harry schreibt:

    Der Engel heisst natürlich Gabriel, verzeih den Fehlerteufel. Gabar El – Gott streitet.

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