Streichholz

Verfasst am: 23. Juli 2002 von Barbara 1 Kommentar

Lieber Claudio,
man kriegt ja selten mit, wie das, was man geschrieben hat,  bei den Lesern ankommt. Hier im Dorf reagiert niemand  auf die Geschichten, die hier spielen und doch eigentlich alle betreffen. Bei der Lesung in der Schule (und das ist ja nun schon 1/2 Jahr her) waren mehr als 80 Zuhörer, die da ganz still saßen und lauschten und keine Miene verzogen – weder schmunzelten sie, noch nickten sie verständnisvoll – , und 20 davon kauften sich dann den "Portugiesen oder blauen Casanova", aber mehr kam da nicht. "Die Fados waren schön", sagte die eine oder andere Frau nach intensiver Befragung wohl und meinte die musikalische Umrahmung des Vortrags.
Nun ja…
Auch nach der Rede von der Dichterin Professora Rosinda nahm keiner zu deren Ausführungen Stellung. Sie hatte so schön die "Rosinen" herausgepickt und erklärt, dass diese Fremde so liebevoll-deutlich die Tugenden und Fehler der Menschen hier beschreibt, (allerdings habe ich das ja vor vielen Jahren geschrieben, damals, vor 10 oder 15 Jahren, als wir hier in den Ferien waren und von der Sprache noch so wenig verstanden). Dona Rosinda zählte auf, was sie da lesen musste:
wie die Portugiesen immer mit ihren Autos fahren,
wie sie mit den Terminen und der Pünktlichkeit umgehen,
wie ihr Umweltbewußtsein ist,
wie sie alles auf den Boden werfen, die Tremoça-Hülsen, die Zigarettenkippen, das Einwickelpapier, die Plastikflaschen, sogar die abgebrannten Streichhölzer…

Nun geschah am letzten Sonntagmorgen folgendes:
Der Sakristan, der wie einer der alten Hirten oder Weisen auf gotischen Altarbildern "Anbetung des Kindes", aussieht, ging vor Beginn des Gottesdienstes ruhig an den Altar, ratschte einen Streichholz an, entzündete mit seinen großen Bauernhänden die erste Kerze, dann die zweite, blies das Streichholz aus und drehte sich zum Kirchenchor um.
Er hielt das abgebrannte Streichholz hoch, lächelte mich an und zeigte mir, dass er es jetzt nicht auf den Boden wirft:

- er steckte es in die Tasche von seinem Jackett.

Eine Antwort

  1. Madleen schreibt:

    Hallo Mama,

    wenigstens ich bekomme immer erzählt, wie schön deine Bücher sind und was sie so in den Menschen bewegen. Wer traut sich schon mit der großen autorin selber zu sprechen.

    Wenn ich frühere Bekannte treffen kommen immer die gleichen Fragen: Ist deine Mutter gesund? Wohnen deine Eltern noch in Portugal? Wie geht es Jakob? Und: Hat deine Mutter mal wieder was neues Geschrieben.

    Am besten sage ich das nächstemal gleich: "Guten Tag – schön daß ich sie mal wieder Treffe. Mutter ist gesund und schreibt immernoch und in Portugal und Jakob lebt auch noch. Und wie geht es ihnen?"

Eine Antwort verfassen