Maria Vitoria

Verfasst am: 3. Juli 2002 von Barbara Keine Kommentare

Du wolltest wissen, wie es mit der Liturgie am Sonntag geklappt hat, also, danke der Nachfrage.

Wir beide, deutsch und evangelisch, Pastor und Pastorenfrau (ich kenne eine, die wird "Pastete" genannt, also Paster und Pastete), waren tatsächlich die einzigen Chorsänger in der 10-Uhr-Messe. Die Familie von Morais, dem Küster, war nach Fatima gefahren, der Organist-Chorleiter hatte abgesagt, und alle Kommunionskinder – die muntere Knabenschar – machte mit den Eltern, alles Chormitglieder!, zum Schuljahrsende einen Busausflug. Herr Sabateiro musste den Sakristan ersetzen und läutete eine halbe Stunde zu früh, so dass alle erschraken: "Wie geht es jetzt schon los? Ist die Messe heute eher?" und losstürmten, was die Kirche aber auch nicht besonders füllte. Da fehlten einfach die ersten 3 Reihen mit den kleinen Jungen, da fehlten die Messknaben und die Kollektensammler,  - keiner da! Sie können so schön laut und kräftig mitsingen, besonders bei solchen Texten wie "Pobres e fracos que somos… " (Arm und schwach, wie wir sind, kommen wir zum Herrn…), es passt überhaupt nicht zu den strammen 9 -10jährigen Bürschchen, es ist einfach grotesk und lustig.

Aber graças a Deus! strömten dann doch noch Manuel und Pompilio (der hatte sogar an die Streichhölzer für die Kerzen gedacht), Odete und Cidalia herbei, und wir teilten ihnen frohgemut die Nummern der Lieder mit, die Rosa am Freitag schon ausgesucht hatte.

Als der Padre aus der Sakristei trat, huben wir zu schmettern an, ein paar Töne zu tief vor Aufregung, aber dafür um so begeisterter. Sogar die Einsätze mit Psalm und Sanctus und "Lamm Gottes" brachten wir toll zustande, kaum dass der Padre seine vorletzte Silbe aussprechen konnte. Aber dann trat plötzlich Maria Vitoria "klar in Führung", wie man beim Autorennen sagt, und dieser Vergleich hinkt überhaupt nicht, denn so schnell, wie die Frauen die liturgischen Texte herunterleiern, fährt nicht mal Schumi. Maria Vitoria war etwas zu spät zur Messe gekommen und brauchte einige Zeit, um die Lage zu durchschauen und zu erkennen: Jetzt kommt es auf mich an, ganz allein auf mich, ob wir alle in den Himmel kommen oder nicht. Und so fing sie mitten im Vaterunser laut und im Bass zu singen an. Man kann das Vaterunser natürlich auch singen. Aber das war ja nicht eingeplant. Dennoch – ihr fiel wohl ein, dass man gesungen schneller voran kommt und an Gottes Ohr dringen kann. Die anderen Beter, die fromm und andächtig schon die ersten Bitten gesprochen hatten, schwenkten bei dem Kommandoton um und fielen in den getragenen Gesang mit ein, und wir kamen glorreich an das Ziel. Sieger war natürlich…  
Nomen est omen, das ist lateinisch und hat nichts mit unserer portugiesischen Messe zu tun.

Nun kannst du dir den weiteren Verlauf vorstellen. Dem Padre flatterte sein Talar um die Ohren bei den nächsten himmelstürmenden Liedern, welch eine Feuerwehr(!)musik, viel zu laut, viel zu tief, viel zu sehr geschrien, alles übertönend. Die Heiligenstatuen duckten sich ängstlich in ihre Blumendekoration hinein, der Heilige Sebastian wand sich unter dem Geschrei wie unter neuen Pfeilen, Sankt Antonius hielt das Jesuskind fester, und ich glaube, einige weinten sogar.

Aber eins steht fest: Auf Maria Vitoria könnt ihr euch verlassen, die schmeißt den Laden hier ! Fahrt ruhig alle wieder weg – mitsamt dem Padre, – Maria Vitoria macht das schon!
(Am besten sollte man sie in die portugiesische Fußball – Nationalmannschaft aufnehmen.)

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